Wenn das Kind gemobbt wird - Was Eltern tun können
Bonn (dpa/tmn) - Mobbingopfer schweigen oft aus Scham über ihre Probleme. Besonders Kinder ziehen sich zurück und suchen die Schuld bei sich. Dann sind die Eltern gefragt. Was sie tun können, erläutert Frank Schallenberg vom Deutschen Kinderschutzbund NRW.
Schüler werden häufig Opfer von Mobbing. Der zermürbende Nervenkrieg treibt manche Jugendliche zu Verzweiflungstaten. Aufsehen erregt insbesondere das Mobbing von Mitschülern in der digitalen Welt, wo die große Verbreitung das Problem oft verschärft. Jüngst erschütterte der Fall des niederländischen Mobbing-Opfers Tim die Öffentlichkeit: Der 20-Jährige beging Selbstmord, nachdem er jahrelang gemobbt worden war.
Viele Eltern fragen sich, ob auch ihre Kinder betroffen sein könnten. Aufmerksam werden sollten sie insbesondere, wenn ihr Kind sich plötzlich zurückzieht, erläutert Frank Schallenberg vom Deutschen Kinderschutzbund NRW. Auf Mobbing könne etwa hindeuten, wenn Kinder nichts mehr aus ihrem Alltag erzählen. „Sie wollen so vermeiden, dass etwas durchsickert“, sagt Schallenberg.
Auch wenn keine Freunde mehr zu Besuch kommen oder anrufen, ist Mobbing möglicherweise die Ursache. Eine plötzliche Verschlechterung in der Schule oder allergische Reaktionen ohne erkennbare Ursache können weitere Anzeichen sein. Denn Stress durch systematische Schikane äußert sich unter Umständen auch körperlich.
Wichtig für die Eltern sei, ihr Kind aufmerksam zu beobachten. „Sie kennen ja die Gewohnheiten ihres Kindes“, sagt Schallenberg. Wenn diese sich verändern, sollten Eltern ihr Kind darauf ansprechen. „Dann kann es sein, dass das Kind mit den Informationen rausplatzt oder erst einmal beschwichtigt“, erklärt der Sozialpädagoge, der ein Buch zum Thema Kindermobbing geschrieben hat.
Egal, wie das Kind im ersten Moment reagiert: Es weiß nun, dass die Eltern auf die Situation aufmerksam geworden sind. „Sie erzeugen so Offenheit“, erläutert Schallenberg. „Es kann dann noch einige Wochen dauern, bis das Kind auf die Eltern zukommt.“
Eltern müssen ihrem Kind vermitteln, dass es an dem Problem nicht selber schuld ist. „Es ist das Fehlverhalten der anderen“, gibt Schallenberg ein Beispiel dafür, was Eltern betroffenen Kindern sagen können. Danach sollten sie mit der Schule Kontakt aufnehmen. „Mobbing lebt von der Klassendynamik.“ Daher sei auch die Schule dafür verantwortlich, das Problem zu lösen.
An die Eltern der Täter heranzutreten, sei keine gute Idee, warnt Schallenberg. „Das führt oft zur Eskalation.“ Außerdem kann ein solches Gespräch auch die Eltern verletzen. Denn sie müssen sich dann anhören: „Mein Kind tut so etwas nicht, dann ist Ihr Kind selber schuld.“ Besser sei es, gemeinsam mit dem Kind eine Vertrauensperson zu finden, die Gespräche moderieren kann und in das Netzwerk eingebunden ist, in dem das Mobbing stattfindet. „Das kann zum Beispiel ein Lehrer sein oder der Trainer im Sportverein.“
Wenn das Mobbing im Internet stattfindet, sei die Situation schwieriger zu handhaben, sagt Schallenberg. Eltern sollten ihrem Kind dann sagen: „Alles was dort passiert, dokumentier das!“. Verletzen die Täter Persönlichkeitsrechte und laden zum Beispiel unerwünschte Bilder hoch, können Betroffene Anzeige erstatten. Sich aus Sozialen Netzwerken abzumelden, sei jedoch keine Lösung: Das habe nur zur Folge, dass die sozialen Kontakte des Betroffenen immer weiter abnehmen. „Ich muss mich dann einschränken, weil ein anderer so mit mir umgeht - das ist nicht fair.“
In der Regel gehören die Täter im Internet aber auch zum Umfeld außerhalb des Webs, zum Beispiel in der Schule. Und dort können Eltern und Lehrer leichter einschreiten. Wichtig sei es, das Problem dort offensiv anzugehen, um dem Täter zu signalisieren: So geht es nicht weiter.
Literatur:
Frank Schallenberg: Ernstfall Kindermobbing: Das können Eltern und Schule tun, Claudius Verlag, 128 S., 12,80 Euro, ISBN-13: 3-532-64200-X