Zum Männertag - Wo das starke Geschlecht noch schwach ist
Berlin (dpa) - Männer weinen heimlich, Männer lügen am Telefon, Männer sind furchtbar stark. „Wann ist ein Mann ein Mann?“ Das fragte schon Herbert Grönemeyer.
Der Internationale Männertag rückt das vermeintlich starke Geschlecht am 19. November in den Fokus - und macht etwa auf Benachteiligungen von Männern aufmerksam. Haben Männer tatsächlich das Nachsehen?
Kindheit: Alleinerziehende Mutter, Aufwachsen im Problem-Viertel, schlechte Schulbildung: Jungen reagieren anscheinend empfindlicher auf soziale Nachteile als ihre Schwestern, wie US-Forscher der Northwestern University kürzlich gezeigt haben. Sie studierten Daten von mehr als einer Million Kinder, die zwischen 1992 und 2002 in Florida geboren wurden und kamen zum Schluss:
Der Einfluss des Umfelds nach der Geburt mündet bei Jungen im Vergleich zu Mädchen etwa in schlechteren Schulnoten, mehr Lernschwächen, auffälligerem Verhalten und höherer Wahrscheinlichkeit für Straftaten im Jugendalter.
Gesundheit: Männer schätzen ihren Gesundheitszustand subjektiv besser ein als Frauen - dabei leben sie oft ungesünder. Rauchen, Alkohol, Übergewicht und Stress können etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen. Männer seien weniger aufmerksam für Symptome, glaubt die Expertin für Männergesundheit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Monika Köster.
Regelmäßige Arztbesuche seien Männer nicht gewöhnt. Ihnen werden auch weniger Medikamente verordnet, mit Ausnahme der Gruppen bis 9 Jahre und zwischen 60 und 75, wie aus dem AOK-Arzneimittelreport hervorgeht. Das hängt auch mit der Haltung der Männer zusammen: Sie erwarten viel seltener eine Verschreibung als Frauen.
Psyche: Frauen sind dem jüngsten DAK-Psychoreport zufolge fast doppelt so häufig von psychischen Erkrankungen betroffen wie Männer. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass Männer weniger seelische Probleme haben. „Es ist bei Männern heute immer noch nicht selbstverständlich, sich einzugestehen, dass man ein Problem im psychischen Bereich hat“, sagt der Vizepräsident des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen, Michael Ziegelmayer.
Depressive Symptome würden häufig nicht diagnostiziert und unzureichend behandelt, warnt die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde.
Hygiene: Zumindest beim Händewaschen kann von Gleichstellung nicht die Rede sein. Frauen gaben in einer BZgA-Umfrage „signifikant häufiger“ als Männer an, sich die Hände zu waschen. Das zeigen laut BZgA auch Studien der London School of Hygiene & Tropical Medicine mit 250 000 Besuchern von Raststätten-Toiletten. Ergebnis: Nicht einmal jeder dritte Mann benutzt dort Wasser und Seife. Dafür aber 64 Prozent der Frauen.
Glücksspiel: Wer gewinnt das nächste Fußballspiel? Vor allem junge Männer glauben, das voraussagen zu können - und haben daher ein besonders hohes Risiko, süchtig nach Sportwetten zu werden. Das zeigen am Mittwoch veröffentlichte Ergebnisse einer BZgA-Befragung. Demnach nehmen Männer etwa fünfmal häufiger an Sportwetten teil als Frauen. Bei Live-Wetten tippen sie sogar achtmal häufiger.
Elternzeit: Rund 80 Prozent der Väter, die sich für Elternzeit entscheiden, beziehen laut Statistischem Bundesamt Elterngeld für zwei Monate. Das ist das Minimum, wenn Paare volle 14 Monate Unterstützung bekommen wollen. Eberhard Schäfer vom Väterzentrum Berlin nimmt die kurze Zeitspanne in Schutz: Häufig treffe das Paar die Entscheidung gemeinsam.
Grund ist auch die Angst der Männer vor Engpässen beim Einkommen und Nachteilen im Job, wie eine Commerzbank-Studie unter männlichen Mitarbeitern in Elternzeit ergab. Demnach wären 70 Prozent gern länger der Arbeit ferngeblieben.
Familienrecht: Leibliche Väter können ihre Vaterschaft nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht einklagen, wenn das Kind in einer anderen Familie lebt. Wenn es eine „sozial-familiäre Beziehung“ zu seinem rechtlichen Vater hat, ist eine entsprechende Klage demnach ausgeschlossen. Unter Umständen habe der biologische Vater aber ein Recht auf Umgang mit dem Kind.
Lebenserwartung:Bei im Schnitt 77,7 Jahren liegt die Lebenserwartung bei Geburt für Männer in Deutschland derzeit - rund fünf Jahre weniger als bei Frauen. Eine der Ursachen: Männer haben deutlich mehr Unfälle als Frauen, die meisten in der Freizeit. Leistung, Härte, Macht, das sei Teil traditioneller Männerrollen, die nach wie vor Fürsorge für den eigenen Körper verhinderten, sagt Monika Köster von der BZgA. Dies begünstige auch die Bereitschaft, Risiken einzugehen.
Geschlecht Hand auf's Herz. Wenn sie die Wahl hätten, würden die meisten Männer doch nicht mit den Frauen tauschen wollen. Manchmal „gern vom anderen Geschlecht“ wären einer YouGov-Umfrage zufolge lediglich 17 Prozent der Männer. Bei den Frauen war es immerhin jede Vierte.