Antidiskriminierungsstelle Preise nach Geschlecht: Frauen zahlen manchmal drauf
Berlin (dpa) - Ob in der Drogerie oder beim Friseur: Frauen zahlen für manche Angebote mehr als Männer für vergleichbare Angebote. Insbesondere bei Dienstleistungen, die in Varianten für Männer und Frauen angeboten werden, zahlen Kundinnen drauf - beim Kurzhaarschnitt etwa im Durchschnitt 12,50 Euro.
Das belegt erstmals für Deutschland eine umfassende Untersuchung, die die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Berlin vorgestellt hat.
„Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher nur wegen ihres Geschlechtes für ein nahezu identisches Produkt mehr zahlen müssen, dann empfinden Menschen das zu Recht als unrecht“, sagte Behördenleiterin Christine Lüders. „Ein solcher Zuschlag ist schlicht nicht gerechtfertigt, und er ist auch nicht nötig.“ Eine solche Preissetzung verstoße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, stellt der Bericht klar. Betroffen sei aber nur ein recht geringer Teil der Konsumausgaben, weshalb von einer „grundsätzlichen Benachteiligung“ keine Rede sein könne, sagt die Mit-Autorin Iris an der Heiden. „Dafür ist es einfach ein zu seltenes Phänomen.“
Während im Bereich der 381 untersuchten Dienstleistungen Frauen bei 50 Prozent der untersuchten Angebote draufzahlen, zahlen Männer nur bei 9 Prozent mehr (etwa bei der Haarentfernung mit Wachs). Der Zentralverband des Friseurhandwerks sieht darin keine Diskriminierung: „Bei Frauen wird hier in der Regel mehr Service nachgefragt“, sagt Hauptgeschäftsführer Jörg Müller. Lüders überzeugt das nicht: „Die pauschale Bewertung, dass es bei den Frauen länger dauert, ist eben unzulässig“, sagt sie. Bei Waren gibt es solche Unterschiede seltener: Hier zahlen Frauen bei 2,3 Prozent der 1682 Produkte mehr, Männer bei 1,4 Prozent. Als Beispiel nennt die Antidiskriminierungsstelle Rasierklingen für Männer und Frauen, die „vollständig baugleich“ seien.
Was Verbraucherschützer und die Antidiskriminierungsstelle beklagen, betrachten Ökonomen ganz nüchtern. „Um der Unterschiedlichkeit von Verbraucherbedürfnissen nachzukommen, muss ein Unternehmen verschiedene Arten von Produkten anbieten. In diesem Fall sind es geschlechterspezifische Produkte, und das macht vom Grundsatz Sinn“, sagt Marketing-Experte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU. Rentner und Studenten zahlten ja auch im Theater oder bei der Bahn Spezialtarife.
Auch Michael Schleusener von der Hochschule Niederrhein mag nicht von Diskriminierung sprechen. „Es ist logisch, beim Preis zwischen Männern und Frauen zu unterscheiden, wenn die bereit sind, unterschiedliche Preise zu zahlen“, sagt der Marketing-Experte. Mit anderen Worten: Wenn Frau Müller ein Produkt mehr wert ist als Herrn Meier, aber beide das Gleiche bezahlen, könnte man das genauso gut als unfair empfinden, weil einer von beiden etwas „geschenkt“ bekommt. Preise durch eine solche (vermeintlich) geschlechtsbedingt höhere „Preisbereitschaft“ verstößt nach Einschätzung der Antidiskriminierungsstelle allerdings gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das Diskriminierung unter anderem wegen des Geschlechts verbietet.
So oder so, Schlüsselreize nehmen uns Denkarbeit ab. „Wir haben ein, zwei Sekunden für eine Kaufentscheidung im Supermarkt“, sagt Schleusener. „Die Wirtschaft nutzt die Tatsache aus, dass wir unsere kognitive Anstrengung gerne herunterfahren und auf kleine Reize reagieren. Eine Verpackung in Rosatönen oder das Einsortieren an einer bestimmten Stelle im Regal vereinfacht und automatisiert so die Kaufentscheidung.
Unter diesen Umständen eine mögliche Benachteiligung zu erkennen, sei gar nicht so leicht, kritisiert Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Weil wir ja auch manipuliert werden im Laden. Das läuft einfach sehr subtil, und es wird den Verbraucherinnen auch schwer gemacht.“
Viele Frauen stoßen sich allerdings offenbar gar nicht an dieser Praxis. Es gebe wenig Beschwerden über höhere Preise, berichten Verbraucherzentralen in mehreren Bundesländern auf Nachfrage. „Vereinzelt haben sich Frauen beschwert bei uns, gerade in der Kategorie Pflege, vor allem Rasiermittel, auch zum Teil über Preisunterschiede zwischen Kurzhaarschnitte für Frauen und Männer beim Friseur. Aber es war wirklich nur vereinzelt“, sagt Valet. Was Marketing-Experte Fassnacht nicht wundert: „Das ist wie mit der Coca-Cola-Flasche an verschiedenen Verkaufspunkten. Man ist das gewohnt und hinterfragt es nicht so stark.“
Also alles gar kein Problem? Doch, meint Sascha Verlan. Er beschäftigt sich als Autor („Die Rosa-Hellblau-Falle“) mit dem Thema und hat den „Goldenen Zaunpfahl“ mit ins Leben gerufen, einen Negativpreis, der auf Geschlechterklischees in der Werbung hinweisen soll. „Es heißt, Frauen seien bereit, für bestimmte Produkte mehr Geld auszugeben. Das mag stimmen, aber sie sind das ja nicht ab Geburt und aus sich heraus, sondern sie haben einen Sozialisationsprozess hinter sich, der von ihnen fordert, mehr in ihr Aussehen zu investieren, um möglichst schlank und glatt, ohne Körperhaare, faltenfrei etc. zu sein“, sagt er. Diskriminierung setze viel früher an. „Wir werden das in der Erwachsenenwelt nicht lösen, wenn wir es nicht in der Kindheit angehen.“