Betriebssicherheitsverordnung Für Paternoster soll's abwärts gehen - Greift neues Verbot?

Paternoster gelten als urig. Sie stammen aus längst vergangener Zeit. Hier und da sind die Aufzüge immer noch für jeden zugänglich - eine neue Vorschrift der Bundesregierung soll das ändern.

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) verlässt 2014 in Bochum bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See einen Paternoster.

Foto: Roland Weihrauch

Stuttgart/Berlin (dpa) - Staunende Touristengruppen fotografieren sich in den Kabinen, kichernde Schüler fahren in der Mittagspause im Kreis - die drei Paternoster-Aufzüge ziehen viele Gäste ins Stuttgarter Rathaus. Aber wie lange noch? Wegen einer novellierten Verordnung der Bundesregierung drohen drastische Einschränkungen für die Retro-Umlaufaufzügen.

Von Montag an sollen aus Sicherheitsgründen nur noch eingewiesene Mitarbeiter mit den altertümlichen Anlagen fahren dürfen. Öffentlicher Zugang wäre ordnungswidrig. Dagegen ist Widerstand entbrannt - der wohl auch gewirkt hat. „Wir versuchen alles, was möglich ist, damit der Paternoster auch in Zukunft öffentlich nutzbar bleibt“, hieß es aus dem Stuttgarter Rathaus.

In München protestierten Anfang der Woche der Paternoster-Verein und die SPD-Stadtratsfraktion. Doch die Betriebssicherheitsverordnung ist eindeutig: „Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass Personenumlaufaufzüge nur von durch ihn eingewiesenen Beschäftigten verwendet werden.“ Laut Arbeitsministerium bedeutet das klar: kein öffentlicher Betrieb.

Für die politischen Gegner von Andrea Nahles ist das ein gefundenes Fressen - werfen sie der SPD-Ministerin doch schon länger Bürokratiewahnsinn vor. Im Nahles-Ressort weist man deshalb vorsorglich darauf hin, dass die Arbeitsschutzbehörden der Länder selbst die Einschränkung gefordert hatten - aus Sicherheitsgründen. So klemmte sich etwa in Frankfurt/Main eine Frau im Jahr 2013 die Beine ein, in Oberhausen drückte eine Kabine 2009 einen kleinen Jungen in den Schacht, weil er sich in Panik an der Fußbodenkante festhielt.

In Mainz wurde ein Paternoster in der Stadtverwaltung stillgelegt, weil ein Mitarbeiter nach dem Blutspenden zusammensackte und mit dem Kopf eingeklemmt wurde - er trug schwerste Verletzungen davon. Auch wenige Todesfälle gab es in der Vergangenheit. Dennoch sind schwere Unfälle selten, was wohl auch an der geringen Zahl der verbliebenen Paternoster liegt. Deutschlandweit kam man vor zwei Jahrzehnten auf rund 500. Wie viele davon heute noch laufen, ist nicht klar. Eine private Webseite zählt rund 230, auch das Onlinelexikon Wikipedia kommt auf eine dreistellige Zahl.

In Stuttgart etwa gibt es drei der Anlagen in der Stadtverwaltung - und knapp 2000 Fahrgäste jeden Tag. In München läuft noch ein Paternoster im Städtischen Hochhaus. In Frankfurt/Main, Hamburg und Düsseldorf drehen die Holzkabinen ebenso ihre Runden wie im Auswärtigen Amt oder dem Haus des Rundfunks in Berlin. 1880 wurden die Aufzüge in England erfunden, 1885 fuhr der deutschlandweit erste in Hamburg - fast ein Jahrhundert später verbot die damalige Bundesregierung allerdings ihren Neubau.

1994 sollten die noch laufenden Aufzüge endgültig stillgelegt werden, was zum Aufschrei unter Nostalgikern und zur Gründung des „Vereins zur Rettung der letzten Paternoster“ führte. Der Bundesrat lehnte schließlich die Aufzugsverordnung der Bundesregierung ab - denn die hätte ihnen nur eine zehnjährige Galgenfrist gewährt. So wie die Perlen des Rosenkranzes beim Vaterunser (lateinisch: Pater noster) durch die Finger wandern, laufen die offenen Kabinen der Aufzüge im Kreis - am Ende des Schachts angekommen, werden sie zur Seite gesetzt und fahren weiter.

„Wenn die vorgeschriebenen Wartungen und Prüfungen durchgeführt werden, laufen die Anlagen in der Regel sehr zuverlässig. Technische Störungen als Unfallursache sind die Ausnahme“, sagt Thomas Oberst vom TÜV Süd. Unfälle seien meist auf menschliche Fehler zurückzuführen, etwa Stolpern beim Einstieg oder „unsachgemäßes Verhalten“ in der Kabine. In München müsse der Betrieb nun zunächst eingestellt werden, teilte die Stadt mit. Auch aus dem Stuttgarter Rathaus heißt es: „Wir wollen kein Gesetz beugen.“

Doch manche Paternosterfreunde meinen schon mit einem Augenzwinkern: Ein Schild, das Besuchern den Zutritt verwehrt, könnte ausreichen - und wer die Einhaltung dann kontrolliert, bleibe dahingestellt. Und aus dem Bundesarbeitsministerium heißt es: „Die Länder sind zuständig für die Umsetzung und können von der Verordnung künftig abweichen.“ Denn bis Jahreende ist eine weitere Novelle geplant: Ausnahmen der Beschränkungen sollen möglich werden.