Ein Jahr Produktinformationsblatt: Weiter kritisch bleiben
Stuttgart (dpa/tmn) - Mehr Aufklärung, mehr Transparenz - seit Juli 2011 bekommen Anleger zu jedem Finanzprodukt, das ihnen angeboten wird, ein passendes Informationsblatt. Allerdings sollten die Kunden genau hinsehen.
Denn manchmal sind wichtige Angaben gut versteckt.
Egal ob Aktie, Zertifikat oder Pfandbrief - seit Juli 2011 bekommen Anleger zu allen Finanzprodukten einen passenden Beipackzettel, das sogenannte Produktinformationsblatt. „Damit sollen Kunden neutraler informiert werden als in den Werbebroschüren“, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Stuttgart. Doch der Teufel steckt häufig im Detail. Denn manchmal müssen Kunden nach den wichtigen Punkten suchen. Aus Sicht von Verbraucherschützern sollten Kunden sich daher nicht blind auf die Angaben verlassen.
„Die Produktinformationsblätter bringen Anlegern grundsätzlich mehr Transparenz“, erklärt Finanzexperte Nauhauser. Denn jedes Blatt enthält eine Produktbeschreibung, den Ausgabepreis sowie Hinweise auf Risiken - etwa durch eine Pleite des Herausgebers. Auch die Kosten eines Finanzprodukts sollen aufgeführt sein. Ausgegeben werden müssen die Beipackzettel zu Aktien, Anleihen und Zertifikaten, Pfandbriefen und Bundeswertpapieren.
Für Investmentfonds heißt das Produktinformationsblatt „Key Investor Information Document“ (KID). Es enthält europaweit einheitliche Informationsstandards zu jedem Fonds. Ähnlich wie bei den übrigen Finanzprodukten müssen auch hier Anlageziele, Kosten und Wertentwicklung sowie Risiko- und Ertragsprofil in übersichtlicher Form dargestellt werden.
Der Vorteil: „Anleger können jetzt schnell erkennen, ob sie bei einer Anlage Kursschwankungen in Kauf nehmen müssen oder nicht“, erklärt Thomas Mai von der Verbraucherzentrale Bremen. Aus seiner Sicht ist das ein Fortschritt, denn vor Einführung dieser Informationsblätter waren solche Aspekte für Kunden mitunter nicht sofort erkennbar. „Das hilft vielen bei der Anlageentscheidung.“
Auch die Branchenverbände sind mit der Einführung dieser zusätzlichen Informationen für Anleger grundsätzlich zufrieden. „Kunden nehmen nach ersten Erfahrungen Produktinformationsblätter gerne an“, erklärt etwa Tanja Beller vom Bundesverband deutscher Banken in Berlin. Und Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Investment und Asset Management (BVI), ergänzt: „Die Einführung des KID war ein wichtiger Schritt zu einer besseren Beratung und Aufklärung. Verbraucher erhalten mit dem KID entscheidungsrelevante Informationen in standardisierter, knapper und leicht verständlicher Form.“
Allerdings gibt es auch Kritik. So stellte etwa die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) Ende 2011 gravierende Mängel an vielen Beipackzetteln fest. Die Experten untersuchten die Infoblätter der Banken in einer repräsentative Stichprobe. Das Ergebnis: Zwar folgten alle Papiere der Gliederung, die von der Deutschen Kreditwirtschaft entworfen wurde. „Allerdings waren die einzelnen Gliederungspunkte inhaltlich in höchst unterschiedlicher Qualität ausgestaltet“, heißt es in einem Kurzbericht. So wurden häufig Fachbegriffe verwendet, Beschreibungen sehr abstrakt gehalten oder Risikohinweise unterschlagen.
Diese Erkenntnisse decken sich auch mit der Erfahrung der Verbraucherschützer. „Kunden können nicht immer verstehen, was in den Beipackzetteln beschrieben wird“, erklärt Mai. So müssen sie nicht nur mit einer oft schwer verständlichen Sprache kämpfen. Mitunter müssten sie außerdem nach wichtigen Angaben suchen. „Hinweise zu Kosten werden zum Beispiel im Fließtext oder Angaben zum Totalverlustrisiko in Fußnoten versteckt“, zählt der Bremer Verbraucherschützer Beispiele auf. Ein Vergleich verschiedener Produkte sei so nur schwer möglich.
Diese Punkte hat aber auch die Branche mittlerweile erkannt. „Wir nehmen das sehr ernst und arbeiten an einer Lösung“, sagt Beller. Dazu wollten sich Banken und Sparkassen mit Verbraucherschützern, den zuständigen Ministerien und der BaFin zusammensetzen, um weiter an der verständlichen Darstellung und Sprache zu arbeiten. Auch Verbraucherschützer Mai findet: „Die Beipackzettel müssen sich noch weiterentwickeln.“
Finanzexperte Nauhauser empfiehlt Kunden deshalb auch, weiterhin kritisch zu sein. Zwar würden Verbraucher durch die Beipackzettel nun ein wenig besser über die Finanzprodukte informiert. „Die Beratung selbst ist aber nach wie vor von Provisionen getrieben.“ Kunden bekämen daher oft Produkte angeboten, die eigentlich nicht zu ihrem Bedarf passten.
„Beim Beipackzettel für Finanzprodukte ist es so ähnlich wie beim Beipackzettel für Medikamente“, erklärt Nauhauser. Denn wie Patienten beim Arzt müssten sich auch Kunden in der Bank auf die Beratung verlassen können. Bei Letzterem sei das aber leider häufig nicht der Fall.