Fairer Handel: Einkauf mit gutem Gewissen nimmt zu

Berlin (dpa) - Die Likörgläser aus Swasiland stehen sauber aufgereiht im Ladenregal, über der Schokolade, deren Verkaufserlös in eine neue Brücke in der Dominikanischen Republik fließt.

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Nebenan liegen Stoff-Elefanten für Kinder.

„In Indien von Frauen genäht, die von der Lepra geheilt wurden“, versichert die Verkäuferin, die hier ehrenamtlich arbeitet. In dem Eine-Welt-Laden am Lausitzer Platz in Berlin kommen Kunden, die mit reinem Gewissen einkaufen wollen: Seit 1998 wird hier sogenannter fairer Handel getrieben - zwischen Café und Kapelle der Emmaus-Kirche, bei klassischer Musik.

Doch fairer Handel geht inzwischen auch anders: Ein paar Straßen weiter stehen im Neon-Licht eines Discounters Kekse, Wein und Rohrzucker mit Fairtrade-Siegel zwischen der konventionellen Ware: Bananen, Kaffee und Kinder-Jeans, bei denen Kunden nur mutmaßen können, wie es denen geht, die sie produziert haben.

Seit dem vergangenen Jahr ist der faire Handel in Deutschland ein Milliardenmarkt: 1,027 Milliarden Euro - soviel haben die Bundesbürger für fair gehandelte Waren ausgeben. Längst treiben die Supermärkte und Discounter das Wachstum, während die Welt-Läden stagnieren. „Der faire Handel hat die ganz spezielle Nische verlassen, der erste Schritt in den Massenmarkt ist getan“, sagt der Mannheimer Unternehmensethiker Nick Lin-Hi. Langfristig sehe er aber ein ähnliches Potenzial wie im Bio-Segment.

Dafür rührt die Branche von diesem Freitag an die Werbetrommel mit ihrer jährlichen „Faireren Woche“ (11. bis 25. September). Kommt nach dem Bio-Boom der Fairtrade-Boom?

Das dafür noch einiges zu tun ist, zeigt ein genauer Blick auf die Zahlen: Bio hatte die Milliarden-Schwelle schon in den 90er Jahren überschritten; heute ist das Segment nach Daten des Bunds ökologische Lebensmittelwirtschaft bei acht Milliarden Euro Umsatz. Und selbst das ist wenig gemessen an den Gesamtausgaben der Bundesbürger für Lebensmittel, die Marktforscher auf 250 Milliarden Euro beziffern.

Der faire Handel hat seinen Marktanteile zwar in nur drei Jahren verdoppelt. Pro Kopf und Jahr betragen die Gesamtausgaben nämlich nur 13 Euro - dafür bekommt man derzeit gut zwei Pfund Kaffee, das nach wie vor wichtigste Produkt des Segments. Ländern wie der Schweiz und Großbritannien hinke Deutschland noch deutlich hinterher. „Luft nach oben“, nennt Manuel Blendin das, der Geschäftsführer des Forum Fairer Handel.

Fair gehandelte Ware ist meist etwas teurer. Das Konzept: Kleinbauern schließen sich zu Genossenschaften zusammen und verkaufen ihre Erzeugnisse zu garantierten Preisen. So sind sie von den Preisschwankungen des Weltmarktes gefeit, die sonst jedem einzelnen von ihnen schnell die Existenz kosten könnten. Oft ist im Preis noch ein Sozialbonus enthalten, mit dem etwa Schulen gebaut werden.

„Der Preisaufschlag kommt nicht komplett beim Produzenten an“, erklärt der Ökonom Lin-Hi. Das Sortiment sei kleiner und liege länger im Regal als andere Supermarkt-Produkte, das erhöhe die Kosten des Handels. Noch böten viele Handelsketten die faire Ware an, um ihr Ansehen aufzupolieren und um auf den Zukunftsmarkt vorbereitet zu sein. Lin-Hi warnt jedoch: „Wo fair drauf steht, muss nicht fair drin sein.“

Die Verbraucherzentrale Hamburg hat das überprüft. Ihre Kritik: Oft werde auf den Packungen zu wenig über Herkunft informiert und Kunden erführen zu wenig davon, wenn Gemische aus fairer und konventioneller Ware angeboten würden. Und wer überblickt schon den Wirrwarr von Dutzenden verschiedenen Siegeln?

Christiane Manthey, die Lebensmittelexpertin der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, verweist zudem auf Studien, nach der der Großteil des Gewinns bei Herstellern und Handelsketten bleibt, nicht aber den Kleinbauern oder Landarbeitern. „Die Idee, die hinter Fairtrade steht, ist absolut in Ordnung“, sagt Manthey. „Aber Verbraucher sollen sich nicht zu viel davon versprechen.“ Für Supermarkt-Kunden seien die Versprechen der Händler kaum zu überprüfen.

Die Verbraucherschützer fordern eine gesetzliches Siegel, das auch nur auf zu hundert Prozent fair gehandelte Ware darf, außerdem ein Kontrollsystem. „Beim Bio-Siegel klappt das ja auch“, sagt Manthey.

„Nein, nur „mal kurz die Welt retten“ können wir nicht“, heißt es beim deutschen Fairtrade-Pionier Gepa, einer Gründung kirchlicher Gruppen, die schon seit der „Jute-statt-Plastik“-Zeit in den 70ern am Markt ist. Fairer Handel sei nicht immer vollkommen. Aber er könne zur Lösung vieler Probleme durch sein Beispiel beitragen.