„Geldanlage 2.0“ - Anleger entdecken Soziale Netzwerke
Frankfurt/Main (dpa) - Sie folgen Händlern auf speziellen Plattformen im Internet oder beteiligen sich an Mitmachfonds: Anleger entdecken das Netz als Alternative zur klassischen Bankberatung.
Soziale Netzwerke halten Einzug bei der Geldanlage. Statt zum Bankberater zu gehen, folgen Anleger Händlern auf speziellen Plattformen im Internet und kopieren deren Strategien (Social Trading). „Sie trauen ihrem Bankberater nicht mehr, weil sie ihm eine Orientierung an den eigenen Interessen statt an denen des Kunden vorwerfen“, sagt Joachim Goldberg vom Analysehaus Cognitrend. Handelsplattformen wie Ayondo, Etoro oder Wikifolio, die sich an der Struktur Sozialer Netzwerke orientieren, profitieren davon. Verbraucherschützer finden die Idee des gemeinsamen Handelns gut - zumindest für erfahrene Anleger.
Social Trading treffe vor allem den Nerv derjenigen Anleger, die sich für das Internet interessieren, meint Händler Veith Curtius vom Broker Lang & Schwarz. Diese suchten im Netz gezielt nach Alternativen, unter anderem weil klassische Produkte wie beispielsweise das Tagesgeld kaum noch Rendite abwerfen. Bei Ayondo, Etoro, Wikifolio & Co. wuchsen Nutzerzahlen und Handelsvolumen zuletzt stark. Dort können Anleger an Forendebatten teilnehmen und nachvollziehen, welche Strategien in der Vergangenheit mehr als die aktuellen Zinsen gebracht haben. Die Spanne reicht dabei von langfristigen Anlagen in Aktien bis zum kurzfristigen spekulativen Handel mit Währungen oder Devisen.
Wer den Ansatz eines Händlers gut findet, kann selbst Geld in diese Idee stecken - zum Beispiel, indem er bei einem darauf spezialisierten Handelshaus ein Zertifikat erwirbt, das die Strategie nachbildet. Damit wird der Anleger wie bei Twitter zu einem Follower, also einem Anhänger, des Händlers. „Social Trading ist ein schöner Trend, der aktuell in aller Munde ist“, sagt Adrian Englschalk von der Verbraucherzentrale Niedersachsen. Der Experte hofft auf einen Schub für die Aktienkultur: Die Menschen könnten sich wieder mehr für Geldanlagen interessieren und ihre finanziellen Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen.
Die Kehrseite: „Die Orientierung am Herdenverhalten ist selten profitabel“, sagt Goldberg. Was die Privatanleger wahrnähmen, seien häufig alte Informationen, die oft lediglich den allgemeinen Trend abbildeten. Mit diesen Nachrichten könnten sie nur selten Geld verdienen. Zudem hängen laut Goldberg die Erfolge eines Händlers, dem die Anleger nachfolgen, oft von Zufällen oder glücklichen Umständen ab. „Wenn eine Handelsstrategie einmal funktioniert hat, ist dies keine Gewähr für Gewinne in der Zukunft.“ Es sei fraglich, ob der Händler dauerhaft den Markt schlagen kann. „Schließlich gelingt es oft nur ganz wenigen Fondsmanagern, über mehrere Jahre hintereinander ihren Vergleichsindex zu übertreffen.“
So scheint es nur konsequent, wenn Freunde der „Geldanlage 2.0“ den Fondsmanager gleich ganz abschaffen und selbst Aktien auswählen. Inzwischen gibt es bereits einige sogenannte Mitmachfonds, bei denen Privatleute im Netz über ihre Favoriten abstimmen. Ist zum Beispiel in Medien viel Gutes über Apple zu lesen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Papiere des Computerkonzerns automatisch in den Mitmachfonds hineingewählt werden.
„Privatanleger sind gut beraten, bei ihren Aktiengeschäften der Crowd zu folgen“, erklärt Professor Oliver Hinz, Wirtschaftsinformatiker an der TU Darmstadt, in einem Wissenschaftsmagazin der Hochschule. Damit spielt er auf die These an, wonach viele im Schnitt bessere Anlageempfehlungen liefern als einzelne Analysten. Das Konzept ist beliebt bei den Anlegern: Beim Anbieter Sharewise etwa geben aktuell mehr als 100 000 Mitglieder aktuell Empfehlungen ab.
Verbraucherschützer Englschalk warnt aber: Vorsichtig agierende Anleger sollten sich nicht in spekulative Produkte drängen lassen. Das Thema „Geldanlage 2.0“ sei nur etwas für erfahrene Privatinvestoren, die sich der Chancen und Risiken bewusst seien. Für die anderen lohne es beim Vermögensaufbau nach wie vor, den traditionellen Weg zu gehen.