EU-Gerichtshof stärkt Rechte von Kunden bei Lebensversicherungen
Luxemburg (dpa) - Wer vorzeitig seine Lebensversicherung kündigt, hat oft Ärger und verliert Geld. Versicherungskonzerne geraten deswegen immer wieder in die Kritik. Der Europäische Gerichtshof stärkt nun den Kunden bei einem Rücktritt den Rücken.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Rechte der Kunden von Lebensversicherungen gestärkt. Wenn ein Verbraucher nicht über sein Rücktrittsrecht belehrt worden sei, dürfe dieses nicht ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie erlöschen, urteilten die Richter am Donnerstag (19. Dezember) in Luxemburg (Rechtssache C-209/12). Das Urteil betrifft nur Altverträge, die bis Ende 2007 nach dem sogenannten Policenmodell abgeschlossen wurden.
Mit der Abschaffung dieses Modells 2008 müssen Versicherer ihren Kunden vor dessen Vertragserklärung die Versicherungsbedingungen sowie weitere vertragsbezogene Informationen schriftlich mitteilen. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) verwies darauf, dass das EuGH-Urteil nicht automatisch alle nach dem „Policenmodell“ abgeschlossenen Versicherungsverträge betreffe. Auch vor 2008 hätten Kunden die vorgeschriebenen Vertragsunterlagen regelmäßig vollständig erhalten und seien ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt worden.
Auf deutsche Versicherungskonzerne könnten dennoch zahlreiche Kündigungen wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrungen zukommen. Der Gerichtshof lehnt es in seinem Urteil aber ausdrücklich ab, die Wirkung zu beziffern oder in zeitlicher Hinsicht zu begrenzen. Die Richter argumentierten, der beklagte Konzern - die Münchner Allianz - habe keine Angaben zu der maßgeblichen Zahl von Verträgen und dem wirtschaftlichen Risiko gemacht.
Im konkreten Fall hatte ein Mann gegen die Allianz geklagt. Der Kunde hatte 1998 eine Lebensversicherung abgeschlossen und wollte fast zehn Jahre später kündigen. Dabei berief er sich auf sein Rücktritts- und Widerspruchsrecht. Als die Allianz dies verweigerte und der Mann klagte, verlor er in den ersten beiden Gerichtsinstanzen. Der Bundesgerichtshof (BGH) bat den EU-Gerichtshof um Hilfe bei Auslegung des EU-Rechts. Nun muss der BGH den konkreten Fall noch entscheiden.
Nach Angaben des Luxemburger Gerichts sieht das EU-Recht vor, dass ein Kunde normalerweise 14 bis 30 Tage nach Abschluss eines Vertrages von der Lebensversicherung zurücktreten kann. Der Kunde könne ja etwa zu dem Schluss kommen, dass der Vertrag seinen Bedürfnissen doch nicht entspricht. Voraussetzung dafür sei, dass die Versicherung den Kunden über dieses Recht genau informiert habe.
Laut Urteil verstieß die alte deutsche Regelung in diesem Punkt gegen EU-Recht. Nach dem „Policenmodell“ verlor der Kunde sein Rücktrittsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie - selbst wenn er über dieses Recht nicht aufgeklärt worden war. Die Richter argumentieren, dass ein Verbraucher kein Recht zu einem Zeitpunkt verlieren könne, zu dem er es noch gar nicht kannte.