Manipulierte Zinssätze: Was Kunden wissen müssen
Sechs Banken müssen 1,7 Milliarden Euro Strafe zahlen. Schadensersatzforderungen sind jedoch schwierig.
Brüssel. Der Libor-Skandal erschütterte die Finanzwelt. Jahrelang haben Geldhäuser wie die Deutsche Bank wichtige Marktzinsen manipuliert und Kasse gemacht. Nun hat die EU-Kommission eingegriffen und gegen die Institute eine Rekordstrafe in Höhe von 1,7 Milliarden Euro verhängt. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Referenzkurse der Bankenbranche, die täglich angeben, zu welchen Konditionen Banken sich gegenseitig Geld leihen können. Aus diesen Daten wird in London der Libor (London Interbank Offered Rate) gebildet.
Während der Libor für Dollar-Geschäfte besonders wichtig ist, ist es der in Brüssel festgesetzte Euribor (Euro Interbank Offered Rate) für den Euro und der japanische Tibor für den Yen. Nach EU-Angaben basieren Finanzprodukte im Wert von tausend Billionen Euro auf diesen Sätzen — das ist eine Eins mit 15 Nullen.
Weil die Banken diese Sätze lange Jahre fast ohne Kontrolle selbst festlegen konnten. Sie basieren nicht auf realen Daten, sondern auf Umfragen. Die Banken schätzen, zu welchem Zins sie sich von anderen Instituten Geld leihen können. Ob die gemeldeten Daten stimmen, ist nur schwer zu prüfen. Erst in der Finanzkrise fielen die Manipulationen auf.
In den Zinsskandal ist eine Reihe von Großbanken verstrickt. Die EU strafte jetzt sechs Banken ab. Allein die Deutsche Bank muss 725 Millionen Euro zahlen. Auf die französische Société Générale entfallen knapp 446 Millionen Euro, auf die Royal Bank of Scotland 391 Millionen Euro. JPMorgan, Citigroup und RP Martin erhielten etwas niedrigere Strafen. Die britische Großbank Barclays und die Schweizer UBS gingen als Kronzeugen straffrei aus, weil sie die Zinsmanipulationen aufdeckten.
Die Banken konnten Handelsgewinne einstreichen oder — auf dem Höhepunkt der Finanzkrise — ihr Institut besser dastehen lassen.
Das weiß niemand. Wegen des riesigen Volumens haben Manipulationen aber selbst im Mini-Promille-Bereich große Auswirkungen.
Die Manipulationen dürften zulasten anderer Banken, von Unternehmen und Verbrauchern gegangen sein. Von der Entwicklung der Zinssätze ist eine Vielzahl von Finanzprodukten abhängig. So können sich die Höhe der Zinsen für Festgeld daran orientieren oder die Renditen von Investment-Papieren wie Geldmarktfonds. Auch sind in verschiedenen Ländern Haus- oder Verbraucherkredite an die Referenzmarken gekoppelt.
„Betroffen sind häufig Kunden mit Kreditverträgen“, sagt Anlegeranwältin Elke Schubert von der Kanzlei Bergdolt und Schubert. Voraussetzung für den Gang vor Gericht: Das Geldinstitut war tatsächlich an der Manipulation beteiligt. Dann kann Schadensersatz gefordert werden. Allerdings ist der Nachweis im Einzelfall schwierig. „Wie hoch etwa der Libor ohne die Manipulation gewesen wäre, ist nachträglich schwer zu berechnen“, sagt Schubert. Ebenso ist fraglich, ob eine Bank einen günstigeren Referenzzins direkt an Kunden weitergegeben hätte.