Online-Auftrag für den Weihnachtsmann
Berlin (dpa) - Wie stark sind die Straßen-Einzelhändler von Online-Versendern bedroht? Noch wird deutlich mehr im Laden verkauft. Besonders im Weihnachtsgeschäft zeigt sich aber die Dynamik des Internet-Handels.
Der Weihnachtsmann trägt heute einen Overall statt roter Kutte. Kein Rentier zieht seinen Schlitten, er steuert den gelben, braunen oder weißen Lieferwagen selbst. Der Internet-Versandhandel setzt seinen Siegeszug im gerade beginnenden Weihnachtsgeschäft fort: 15 Prozent mehr Umsatz als vor einem Jahr werden es nach einer Prognose des Handelsverbands HDE in diesem Segment sein - 8,5 Milliarden Euro, das sind gut 10 Prozent des gesamten Branchenumsatzes im Weihnachtsgeschäft.
„Der Online-Handel ist zehnmal dynamischer als der Durchschnitt“, sagt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Während die Branche 2013 insgesamt einem mageren Umsatzplus von 1,2 Prozent auf 434 Milliarden Euro entgegensieht, dürften die Internet-Verkäufer auf 12 Prozent Wachstum kommen und rund 33 Milliarden Euro einfahren. Das entspricht einem Anteil von 7,5 Prozent.
Für den Handelsverband ist das offiziell kein Grund zur Aufregung. Gerade die vergangenen eineinhalb Jahre hätten gezeigt, dass sich auch mittelständische Einzelhändler ein zweites Standbein im Internet aufgebaut haben, sagt HDE-Geschäftsführer Kai Falk - damit sie das Feld nicht großen Versendern wie Amazon oder Zalando überlassen müssen. Diese bauen ihre Sortimente aus und graben so der Konkurrenz das Wasser ab.
Es sei zwar richtig, dass Kunden sich häufig von Fachleuten im Laden beraten ließen und das Produkt dann günstiger im Internet bestellten, gibt Falk zu. Häufiger sei aber der umgekehrte Weg: Menschen informierten sich im Internet und machten sich dann zum Einkauf auf den Weg in die Innenstadt. An vollen Einkaufsstraßen in den nächsten Wochen führe deshalb trotz der Paketflut von Versandhändlern kein Weg vorbei.
Nach einer Branchenstudie betreiben bereits 30 Prozent der stationären Händler einen eigenen Online-Shop. Dennoch gibt es offensichtlich gerade für kleine und mittelgroße Händler einiges nachzuholen. Der HDE bereitet deshalb eine Initiative vor, die die Unternehmen fit fürs Internet machen soll. Auf dem Deutschen Handelskongress in zwei Wochen in Berlin werde ein Werkzeugkasten vorgestellt, kündigte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth an. Er soll es leichter machen, einen Online-Laden zu eröffnen oder „soziale“ Internet-Medien für den eigenen Geschäftserfolg zu nutzen.
Für Geschäfte in gute Lagen großer Städte scheint das Internet noch kein Riesenproblem darzustellen. Eher sind Händler in Klein- und Mittelzentren bedroht. Der HDE hält das Internet insgesamt nach wie vor für einen Wachstumstreiber. Die Bremsen sieht er anderswo. Zum Beispiel beim Tarifpartner Verdi. Mit der Gewerkschaft liefern sich die Arbeitgeber seit Monaten einen zermürbenden Tarifstreit um höhere Löhne.
Auch die zu erwartende große Koalition macht die Händler nicht froh. Der HDE lehnt den von der SPD angestrebten gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro ab, weil der für manch junges Unternehmen zu hoch sei. Und die Umlage zur Ökostromförderung gehöre ganz abgeschafft. Allein deren Erhöhung in diesem Jahr „hat 0,6 Prozent Wachstum im Einzelhandel verhindert“, klagte HDE-Präsident Josef Sanktjohanser.