Scheidung: „Zweitfrau“ darf nicht untätig sein
Der Bundesgerichtshof nimmt beim Unterhalt auch den neuen Ehepartner in die Pflicht.
Karlsruhe. Die Rechte der "Zweitfrauen" müssen gestärkt werden - das klingt wie eine Parole am Männer-Stammtisch. Doch die seriöse Variante dieser Forderung hat sich sogar der Gesetzgeber längst zu eigen gemacht - als er 2008 das Unterhaltsrecht neu ordnete. Zuvor hatte manch ein Geschiedener keine Möglichkeit, eine neue Familie zu gründen.
Die Unterhaltslast, die er gegenüber der früheren Ehepartnerin hatte, erdrückte ihn finanziell. Angesichts zunehmender Scheidungsraten reagierte der Gesetzgeber auf die veränderte gesellschaftliche Realität und verschlechterte die Rechtsposition des geschiedenen Ehepartners. Er beschnitt dessen Unterhaltsforderungen zugunsten von Kindern und zugunsten eines neuen Ehepartners. Einem Geschiedenen wird seither mehr zugemutet, wenn es um die Aufnahme einer Arbeit, um das Selbst-Bestreiten des Unterhalts geht.
Jetzt hatte der Bundesgerichtshof einen Fall zu entscheiden, in dem diese Idee von den Beteiligten überzogen wurde. Ein Ex-Mann rechnete sich gegenüber seiner geschiedenen Frau dadurch arm, dass er mit seiner neuen Ehefrau vereinbarte: Du spielst die Hausfrauenrolle, dann kann ich gegenüber meiner Ex geltend machen, dass ich ja nicht mehr so viel Geld zur Verfügung habe.
Konkret ging es um diesen Fall: Nach fast 30 Jahren Ehe ließ sich ein Ingenieur von seiner Frau scheiden. Diese arbeitete danach als Reinigungskraft. Weil das dabei erzielte Einkommen nicht ausreichte, konnte sie sogenannten Auftstockungsunterhalt von ihrem Ex-Mann verlangen.
Der aber argumentierte nun, dass er ja gegenüber seiner nicht berufstätigen zweiten Ehefrau und auch zwei Kindern unterhaltspflichtig sei. Daher solle der Unterhaltsanspruch der Ex-Frau herabgesetzt werden. Die unteren Gerichtsinstanzen gaben ihm Recht, reduzierten seine Unterhaltspflicht von 607 auf 290 Euro monatlich. Doch ihm reichte das nicht. Er wollte eine noch weitergehende Herabsetzung des Unterhalts.
Das empörte die Ex-Frau. Zu Recht, wie sich jetzt vor dem Bundesgerichtshof (Az.XIIZR65/09) herausstellte. Die Richter argumentierten, es sei nicht zu akzeptieren, dass man von der Ex-Frau verlange, durch Arbeit für ihren Unterhalt zu sorgen, die Zweitfrau aber auf den Broterwerb verzichte.
Natürlich stehe es jedem Paar frei, eine Rollenverteilung nach eigenem Geschmack zu wählen, ein Partner also zu Hause bleibe. Dies dürfe aber nicht zu Lasten des geschiedenen Ehepartners gehen. Der Unterhaltsanspruch der neuen Ehefrau müsse so kalkuliert werden, als wäre die neue Ehe ebenfalls geschieden. Und dann würde man der Zweitfrau ja auch die Aufnahme einer Arbeit zumuten.