Berechnungsmethode maßgeblich Trügerische Kurve: Warum Kurscharts manchmal täuschen können

Köln/Düsseldorf · Anleger sollten Diagramme von Börsenkursen immer kritisch betrachten. Denn abhängig davon, welche Berechnungsmethode dafür zugrunde gelegt wurde, kann ein Chart auch in die Irre führen.

Ein Börsenchart ist eindeutig? Nicht unbedingt. Denn es gibt verschiedene Berechnungsmethoden, die dem zugrunde liegen können. Entsprechend unterschiedlich sieht die Kurve aus.

Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn

Professionelle Finanzinvestoren verbringen ganze Tage damit, Kurscharts von Aktien zu analysieren. So möchten sie herausfinden, ob sie ein bestimmtes Wertpapier kaufen oder verkaufen sollen. Auch viele Privatanleger schauen immer mal auf die Börsenkurse. Doch bei der Analyse von solchen Diagrammen ist Vorsicht geboten, sagt David Bienbeck, Vermögensverwalter bei Albrech und Cie.

„Charts können in die Irre führen und dazu führen, aus einem Impuls heraus zu handeln.“ Oft hängen die Entscheidungen von Anlegern davon ab, wie der Kursverlauf einer Aktie aussieht - und das wiederum wird auch davon beeinflusst, welche Darstellung in dem Chart gewählt wird. So gibt es lineare und logarithmische Charts.

Veränderungen werden unterschiedlich angezeigt

Der Unterschied: „Bei logarithmischen Charts nehmen prozentuale Veränderungen den gleichen Raum ein. Steigt der Kurs eines Wertpapiers um 2 Prozent, dann ist es in dieser Darstellung egal, ob es 20 oder 200 Punkte sind“, erklärt Jörg Scherer, Leiter der Technischen Analyse der Großbank HSBC Deutschland.

In linearen Charts werden dagegen die Punktveränderungen abgetragen. Die Linie klettert also zum Beispiel genau um eben jene 20 oder 200 Punkte nach oben. Der Kursgewinn um 20 Punkte nimmt dann natürlich viel weniger Raum ein als der um 200 Punkte, selbst wenn beides einem Kursanstieg von 2 Prozent entspräche. Eine Kursveränderung wirkt deshalb umso steiler, je höher der Wert des Papiers bereits ist.

Bei logarithmischen Charts ist das aber anders. „Im Ergebnis wird das Kursdiagramm mit der logarithmischen Berechnung leicht gestaucht. Die Sprünge des Graphen bei starken Zugewinnen bei hohen Kursen sind nicht ganz so groß wie bei einer linearen Darstellung“, so Scherer. Er schaut bei Analysen deshalb immer zuerst auf den logarithmischen Chart. Gerade bei stark schwankenden Basiswerten sei das wichtig. Denn prozentuale Kursanstiege werden dadurch besser vergleichbar. Und das ist das, was am Ende für Anleger schließlich zählt.

Berechnungsmethode bei kurzem Analysezeitraum weniger wichtig

Besonders für die Einschätzung einer langfristigen Entwicklung eines Wertpapiers eignet sich die logarithmische Darstellung, sagt auch David Bienbeck. „Bei Dauerläufern, die über viele Jahre gestiegen sind, haben Anleger bei einem linearen Chart oft das Gefühl, dass die Aktie zu teuer ist.“ Mancher Anleger verkaufe seine Anteile aus diesem Grund auch zu früh. Oder traue sich nach einer Korrektur nicht einzusteigen, da die Verluste übermäßig groß aussehen. „Bei einem logarithmischen Chart sieht das anders aus“, sagt Bienbeck. „Das verhindert eine Impulsentscheidung.“

Je kürzer der Zeitraum ist, der analysiert werden soll, und auch je weniger der Kurs schwankt, desto kleiner ist allerdings der Unterschied zwischen den beiden Berechnungsmethoden, erklärt Jörg Scherer. „Wer sich nur für die Kursentwicklung der vergangenen ein oder zwei Jahre interessiert, ist also auch mit einer linearen Kurstafel gut bedient.“ Und er weist auf eine Einschränkung hin: Bei Basiswerten, die negativ werden, funktioniert die logarithmische Berechnung nicht. Also zum Beispiel bei deutschen Staatsanleihen, deren Rendite teilweise unter die Null-Linie gerutscht ist.

Kennt Ihr Finanzberater den Unterschied?

Anleger, die Kursentwicklungen analysieren möchten, sollten Charts also genau prüfen. Viele, die online frei verfügbar sind, werden erst mal linear angezeigt, lassen sich aber mit wenigen Klicks umstellen. Welche Berechnung gewählt wurde, lässt sich an der hochstehenden Y-Achse erkennen, erklärt David Bienbeck.

„Bei einem linearen Chart sind die Abstände zwischen den einzelnen Strichen immer gleich. Einer entspricht zum Beispiel immer 50 Euro. Beim logarithmischen Chart werden die Abstände dagegen immer kürzer und die Skalierung gestaucht.“ Wer nicht selbst Kurse vergleicht, kann sich das Wissen über diesen Unterschied trotzdem zunutze machen.

„Das ist sowas wie ein Kompetenzcheck beim Finanzberater“, sagt Bienbeck. „Ein Kunde kann mit der entsprechenden Frage prüfen, ob der überhaupt den Unterschied zwischen einem linearen und logarithmischen Chart kennt.“ Und sich in einem Beratungsgespräch am besten immer einen logarithmischen Chart vorlegen lassen.

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(dpa)