Ärztlicher Rat aus dem Internet
Nicht jede Online-Praxis ist empfehlenswert. Ein unabhängiges Gütesiegel hilft jetzt bei der Auswahl.
<strong>Berlin. "Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" - dass Patienten das befolgen, ist nicht mehr selbstverständlich. Jeder dritte Deutsche geht einer Studie zufolge lieber ins Netz, wenn er gesundheitliche Beschwerden oder Fragen zu Behandlungsmethoden hat. Kein Wunder: Portale wie "Netdoktor.de" oder "Lifeline.de" ersparen Patienten lange Wartezeiten und bieten rund um die Uhr medizinischen Beistand. Aber nicht jede Onlinepraxis ist empfehlenswert.
"Das Angebot an Medizinportalen im Netz wird immer größer, dadurch aber auch immer unübersichtlicher", sagt Dagmar Villarroel Gonzales vom Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ). Die Einrichtung der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bietet unter "Patienten-information.de" eine Liste mit geprüften Angeboten - sie umfasst schon mehr als 1000 Einträge.
"Als erstes muss man sich bei solchen Gesundheitsratgebern immer fragen, wer dahinter steckt", sagt Villarroel Gonzales. So sei es etwa mit Vorsicht zu genießen, wenn ein neues Präparat auf der Seite einer Pharmafirma angepriesen wird. "Viele Beiträge entpuppen sich bei genauem Hinsehen als Werbung."
Auch müssen Surfer aufpassen, dass sie nicht auf Falschmeldungen und Mythen über neue Wirkstoffe oder alternative Therapien hereinfallen. Inzwischen können sie sich dabei der Expertin zufolge an Gütesiegeln orientieren: Die Schweizer Health on the Net Foundation (HON) und das Aktionsforum Gesundheitsinformationssystem (AFGIS) zeichnen aktuelle und unabhängige Medizinseiten aus.
Ganz besonders müssen sich Patienten vor "Web-Wunderheilern" in Acht nehmen, die ihnen mit zweifelhaften Methoden schnelle Besserung versprechen, warnt Villarroel Gonzales. "Vor Ferndiagnosen über das Netz kann man nur dringend warnen - das kann lebensgefährlich sein", sagt auch Klaus Greppmaier vom NAV-Virchow-Bund in Berlin, dem Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands. "Eine individuelle Beratung per Internet dürfen Ärzte hierzulande auch gar nicht geben - das verbietet die Berufsordnung."
Dadurch ist das Angebot der Gesundheitsportale rechtlich stark eingeschränkt: Sie dürfen keine individuellen Behandlungstipps geben, sondern nur allgemeine Erklärungen zu Krankheiten und Behandlungen liefern. Für die Folgen ihrer Ratschläge übernehmen die Betreiber daher keine Haftung - denn offiziell stellen sie ja keine Diagnosen.
Allerdings sei die Trennung zwischen fachlicher Auskunft und persönlicher Beratung manchmal zu schwammig formuliert, kritisiert Gonzales vom ÄZQ: "Einige weisen auf den Unterschied nur im Kleingedruckten hin und distanzieren sich nicht deutlich genug von einer Onlinebehandlung."
Die Anbieter sehen das anders. "Wir wollen eine Behandlung beim Arzt nicht ersetzen, sondern nur dem Patienten besser verständlich machen", sagt Christoph Hausel, Sprecher von "Netdoktor.de" in München. "Oft ist es ja so, dass Rezepte für Patienten unverständlich sind und in der Praxis viel Fachchinesisch gesprochen wird." Die Seite bietet Lesern deshalb ein Diagnose-Glossar, das medizinische Kürzel und Fachwörter erklärt.
Rat: Jeder dritte Deutsche sucht laut dem Branchenverband BITKOM aus Berlin inzwischen medizinischen Rat im Internet. So holten sich 2006 rund 34 Prozent der über 16-Jährigen Tipps von Gesundheitsportalen, teilt der Verband unter Berufung auf das europäische Statistikamt Eurostat mit.
Europa: Innerhalb der EU informierten sich lediglich in den Niederlanden (45 Prozent) und in Finnland (rund 44 Prozent) mehr Menschen im Web über Gesundheitsfragen als in Deutschland.