Als „Versuchskaninchen“ Geld fürs Studium verdienen
Trier (dpa) - Viele Studenten finanzieren sich ihr Studium als „Versuchskaninchen“ und stellen sich als Proband für Pharma-Unternehmen zur Verfügung. Doch ist eine Studienteilnahme wirklich leicht verdientes Geld?
Trier (dpa) - Viele Studenten finanzieren sich ihr Studium als „Versuchskaninchen“ und stellen sich als Proband für Pharma-Unternehmen zur Verfügung. Doch ist eine Studienteilnahme wirklich leicht verdientes Geld?
Sarah Küpper ist Nichtraucherin, ist nicht schwanger und hat keine chronischen Krankheiten. Sie ist zwischen 20 und 30 Jahre alt, nämlich 21, hat einen Body-Mass-Index von 20 und nimmt die Anti-Baby-Pille. Damit ist sie die perfekte Probandin für eine Medikamentenstudie. 150 Euro bekommt die Studentin aus Trier, wenn sie drei Tage lang ein Arzneimittel gegen Angstzustände nimmt. Oder ein Placebo. Sie weiß selbst nicht, was sie täglich herunterschlucken wird.
Das Auftragsforschungsinstitut Daacro führt Studien unter anderem für die Pharma-Industrie durch. Geschäftsführerin Juliane Hellhammer sagt: Probandenstudien sind beliebt bei Studenten. „Einige kommen sogar mehrfach.“ Sie nennt es leicht verdientes Geld.
Studentin Küpper liest einen elfseitigen Bogen durch und unterschreibt. „Leicht verdientes Geld“, findet auch sie. Dreimal im Institut erscheinen, insgesamt sieben Stunden Aufwand und 150 Euro Entschädigung. Macht einen Stundenlohn von mehr als 21 Euro. Nicht schlecht für einen Studentenjob, findet sie.
Wird Blut abgenommen, müssen die Probanden mehrere Tage vor Ort sein. Dann sind es schon mehrere hundert Euro. In der Pharmaentwicklung, der sogenannten Phase eins, gibt es deutlich mehr Geld - „für ein gewisses Risiko“, sagt Hellhammer. „Alles, was Wirkungen hat, hat potenziell auch Nebenwirkungen.“ Für Gedächtnisexperimente oder Stresstests fällt der Lohn entsprechend niedriger aus. Trotzdem findet das Institut immer genügend Teilnehmer.
Wolfgang Becker-Brüser ist Arzt und Herausgeber des Magazins Arznei-Telegramm. „Um Nutzen und Schaden von Arzneimitteln zu ermitteln, müssen auch Menschenversuche gemacht werden“, sagt er. Dabei sei Transparenz besonders wichtig. „Ein Problem kann sein, dass Leute, die auf das Geld angewiesen sind, an mehreren Tests teilnehmen. Andererseits müssen Testinstitute Risiken klar vermitteln. Beide Seiten müssen mit offenen Karten spielen.“
Für Rolf Hömke, Sprecher für Wissenschaft beim Verband Forschender Arzneimittelhersteller, ist es verständlich, dass sich Menschen als Probanden bewerben, die über mehrere Tage hinweg zur Verfügung stehen können. Dazu gehörten eben auch Studenten. Wird ein Wirkstoff erstmals mit Menschen getestet, dann meist mit jungen Leuten, da für diese Studien vollkommen gesunde Personen nötig sind. Vorher wurde der Wirkstoff bereits an Tieren getestet.
Für leicht verdientes Geld hält Hömke die Studien nicht. „Man ist oft körperlich eingeschränkt, Zeitaufwand und körperliche Anstrengung sind üblich“, erklärt er. Das sehe man schon an den Entschädigungen, die von ein paar Euros bis in die Tausender reichen. „Die werden nicht für nix gezahlt.“ Die Nebenwirkungen seien jedoch unter Kontrolle, sagt er. „Man fängt eine Phase eins nicht mit der Dosis an, die man in eine Tablette tun will, sondern mit einer viel geringeren.“ Dennoch sei ständig ein Arzt in der Nähe.
Studentin Küpper sitzt morgens in der Bibliothek und abends am Schreibtisch an ihrer Hausarbeit. „Manchmal bin ich abends zu müde, um zu arbeiten“, erzählt sie. Dass das von den Tabletten kommt, glaubt sie nicht. In den meisten Fällen beschränken sich Nebenwirkungen auf Müdigkeit oder Kopfschmerzen.
Studien mit Menschen sind erst erlaubt, wenn das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) das Medikament als gefahrlos einstuft. Verläuft eine Studie nicht wie geplant, wird sie sofort abgebrochen. „Die Frage ist: Geht es gesunden Menschen schlechter aufgrund der Studie? Aber das gibt es so gut wie nie“, sagt Maik Pommer, Sprecher von BfArM. Er mahnt aber: „Wer als Proband von einer Studie in die nächste hüpft, bringt sich in Gefahr.“
Bei ihrem letzten Termin bekommt Sarah Küpper drei 50-Euro-Scheine bar auf die Hand. „Die gehen direkt in meine Bücherkasse“, sagt sie.