Amerikaner investiert Millionen Dollar in Kochbuch
Frankfurt am Main (dpa) - Mehrere Millionen Dollar investierte ein US-Amerikaner in ein 20 Kilogramm schweres Mammutwerk über die Kochkunst. Herausgekommen ist eine sechsbändige Enzyklopädie mit 2400 Seiten und 3200 Fotos.
Die deutsche Ausgabe ist nicht ganz preiswert.
Nathan Myhrvold ist ein schwerreicher Mann und vielleicht der wissbegierigste Hobbykoch der Welt. In einer Werkshalle seines Technologie-Unternehmens Intellectual Ventures in den USA baute er ein Kochlabor auf und beschäftigte drei Jahre lang 18 Köche, Techniker, Wissenschaftler und Fotografen, um die Geheimnisse der Küche zu erkunden.
Das Ergebnis ist eine beispiellose, sechsbändige Enzyklopädie des Kochens, die unter dem Titel „Modernist Cuisine“ im November in Deutschland erscheint. Mit Fotos und Formeln werden Kochgeheimnisse erklärt, sei es der ideale Abstand des Fleisches vom Grill, die Abkühlungsdauer von Milchkaffee, die Wärmeverteilung im Wok oder auch, wie man die Lichtgeschwindigkeit in der Mikrowelle messen kann.
Mehrere Millionen Dollar, so verriet Myhrvold im dpa-Gespräch, ließ er sich das Projekt kosten. Zwei Auflagen des 460 US-Dollar teuren und 20 Kilo schweren Werks sind bereits verkauft, 40 000 Exemplare gedruckt. Die deutsche Ausgabe, so wirbt der Taschen-Verlag, koste „nur“ 399 Euro. Dafür bekommt der Leser über 2400 Seiten im Großformat mit 3200 oft spektakulären Fotos.
Nie zuvor gab es ein Werk für Profiköche und neugierige Hobbyköche, das so anschaulich grundlegende Vorgänge des Kochens erklärt und so umfassend in die „modernistische“ Avantgardeküche einführt, die vor 20 Jahren von dem Spanier Ferran Adrià begründet wurde. Adrià habe das Kochen ebenso revolutioniert wie einst die Impressionisten die Malerei, sagt Myhrvold.
Der 52-jährige Amerikaner hat eine außergewöhnliche Karriere hinter sich: Er promovierte in mathematischer und theoretischer Physik, arbeitete als Assistent beim Astrophysiker Stephen Hawking und war dann viele Jahre Technologiechef bei Microsoft, bevor er sich als Patente-Entwickler und -Händler selbstständig machte. Fürs Kochen habe er sich schon als 9-Jähriger begeistert, erzählt er bei einer Buchvorstellung im Max-Planck-Institut in Mainz. „Ich kochte und flambierte am Thanksgiving Day und brannte fast den Tisch ab.“
Danach lernte er in Paris in der berühmten Kochschule La Varenne und arbeitete in den USA als Gastrokritiker. Als Co-Autoren für das Buch gewann er Chris Young und Maxime Bilet. Beide haben in der Experimentalküche des Engländers Heston Blumenthal gearbeitet.
Aber das Buch ist kein Werk allein über die „Molekularküche“, obwohl es die meisten der neuen Zutaten und Techniken zur Herstellung von Gels oder Schäumen im Detail erklärt. Faszinierend sind vielmehr die vielen Erläuterungen zu alltäglichen Kochvorgängen. Um sie darzustellen, arbeitete das Team in Myhrvolds „CookingLab“ mit Hochleistungsmessgeräten und -kameras. Der begeisterte Fotograf Myhrvold ließ Töpfe und Grillpfannen zersägen, um Feuer und Kochgut im Querschnitt abzubilden.
Respekt vor Traditionen kennt der Amerikaner nicht. Er stellt Hygieneregeln infrage und räumt mit Gesundheitsvorschriften auf. Wein wird bei ihm nicht feierlich in eine Karaffe umgegossen, um die Aromen zu intensivieren, sondern einfach in den Elektromixer gekippt. Die Methode heißt Hyperdekantieren. „Wenn der Schaum sich gesetzt hat, finden Tester den Wein viel besser als den normal dekantierten“, sagt Myhrvold. Dass er dafür auch einen 1982er Château Margaux aus Bordeaux nimmt, einen der berühmtesten Weine der Welt, klingt für den Liebhaber nach Wein-Folter. „In Frankreich werden sie mich wohl dafür verhaften“, scherzt der Amerikaner.
Für Myhrvold ist die neue Technik nur ein Angebot. „Die Hälfte der 1500 Rezepte in dem Buch kann man mit normaler Kücheneinrichtung kochen, für 25 Prozent braucht man neue Geräte, etwa zum Vakuumgaren, und spezielle Zutaten“, sagt er. Praktischerweise ist das als Band 6 beigefügte Rezeptbuch mit vielen Beispielen aus den Avantgardeküchen aus abwaschbarem Papier.
„Ich wollte zum ersten Mal die von Köchen und Wissenschaftlern entwickelten Methoden zugänglich machen“, sagt Myhrvold. „Und ich hoffe, dass Tausende von Köchen und Amateuren, die niemals eine Möglichkeit hatten, diese Dinge zu erlernen, sie nun ausprobieren können, um dann selbst zu entscheiden, was für sie nützlich ist und was nicht.“
Myhrvold will weiter forschen und kochen. Es gibt noch so viele unentdeckte Tricks und Geheimnisse - oder Überraschungen wie den ersten Teller, den der Amerikaner im Restaurant des Avantgarde-Sternekochs Juan Amador in Mannheim vorgesetzt bekam. Da wurde eine Art weiße Tablette mit heißem Wasser begossen, die sich dann zu einer kleinen Säule aufrichtete. „Wie isst man das?“, fragte auch Myhrvold. Es war ein stark gepresstes Erfrischungstuch, das aufquoll, als es nass wurde.
Literatur:
Nathan Myhrvold, Chris Young, Maxime Bilet: Modernist Cuisine. Die Revolution der Kochkunst. 6 Bände im Plastik-Schuber (26 x 33 cm). Über 3200 Fotos, 2438 Seiten, ISBN-13: 978-3-8365-3256-3, 399 Euro.