Arzt prüft Eigendiagnose nicht genügend - Schadenersatz

Koblenz (dpa) - Ein Patient deutet seine starken Schmerzen als eingeklemmten Nerv - und sein Orthopäde folgt der Diagnose. Eine fatale Fehlentscheidung: Der Mann stirbt an Herzinfarkt. Laut einem Urteil muss der Mediziner Schadenersatz an die Familie zahlen.

Unterlässt ein Arzt wegen der selbstbewusst vertretenen Eigendiagnose seines Patienten eine wichtige Untersuchung, dann haftet er für den Behandlungsfehler. Das Oberlandesgericht Koblenz gab einer Schadenersatzklage der Hinterbliebenen eines 36-Jährigen statt. Der Mainzer Mediziner hätte den Eigenbefund sorgfältiger überprüfen müssen, teilten die Richter am Freitag (13. April) mit. Der vermutete eingeklemmte Nerv hatte sich als Fehldiagnose herausgestellt, der 36-jährige Rettungssanitäter starb kurz nach dem Arztbesuch an einem Herzinfarkt. (Beschluss vom 30. Januar 2012, Aktenzeichen: 5 U 857/11.)

Der Familienvater war im Mai 2007 in Mainz von Kollegen zu dem beklagten Orthopäden gebracht worden. Er klagte über außergewöhnlich starke Schmerzen in der linken Körperseite. Laut Selbstdiagnose war ein eingeklemmter Nerv der Halswirbelsäule die Ursache. Der Patient berichtete auch, er sei beim Internisten gewesen. Der beklagte Orthopäde ging davon aus, dass diese Untersuchung am gleichen Tag war - sie lag jedoch schon Monate zurück. Ein Missverständnis, das nach dem Urteil der Richter hätte vermieden werden können, wenn der Mediziner gezielter nachgefragt hätte.

So diagnostizierte der Arzt eine Querwirbelblockade sowie Muskelverspannung und entließ den Patienten nach Hause, wo er keine zwei Stunden später zusammenbrach und starb. Der 36-Jährige hätte den Infarkt überleben können, wenn der Orthopäde einen Internisten hinzugezogen hätte, urteilten die Richter und bestätigten die Entscheidung des Landgerichts Mainz. Jeder Arzt müsse laienhafte Diagnosen mit kritischer Distanz aufnehmen, um eigenverantwortlich sämtliche objektive Befunde zu erheben oder den Patienten zu überweisen.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, da der Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt hat. Im Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung war der Arzt zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden.