Aus dem Schatten des Olivenöls: Essig im Trend

Frankfurt/Main (dpa) - Jahrelang stand Essig im Schatten des Olivenöls, jetzt hat er es in die Regale der Feinkost-Geschäfte geschafft. Die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft hat 32 Essig-Sorten getestet.

Einfach sauer ist von gestern.

Der Mann im weißen Kittel hebt den kleinen Deckel von einem Grappa-Glas und nimmt einen Schluck. In dem Glas ist Essig, doch Stefan Buggle verzieht keine Miene. Er ist einer der acht Tester, die für die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) 32 Essig-Sorten prüfen. „Dünn und beißend“, lautet sein vernichtendes Urteil.

Vor den Testern stehen schwarze Spucknäpfe, die ein wenig wie Sektkühler aussehen, daneben Körbe mit Weißbrot - zum Neutralisieren der Geschmacksnerven. Zwölf Essige wird jeder Prüfer heute probieren. Viel mehr sei auch nicht drin, erklärt der Lebensmittelchemiker Buggle: „Nach 10 bis 15 Proben ist einfach Schluss. Dann tun der Hals und der Mund langsam weh. Und die Geruchs- und Geschmacksnerven ermüden mit der Zeit.“

Nicht alle Essige sind sauer. Die immer beliebteren Balsam-Essige zeichneten sich durch eine lieblichere Note aus, erklärt Buggle. Ihnen werden nach der Gärung noch angedickte Fruchtsäfte hinzugefügt. Von Birne und Quitte bis zu Wildfrucht oder Granatapfel finde man die exotischsten Geschmacksrichtungen in den Supermarktregalen. „Der Trend geht zu hochwertigen Essigen“, sagt der Experte. Die sind auch richtig teuer: Eine einzige Flasche könne je nach Reifezeit auch mal 600 Euro kosten. Edle Essige würden längst nicht mehr nur im Salat, sondern auch in Vor- und Süßspeisen und sogar als Aperitif verwendet. Eine Schweizer Firma habe Balsamico-Eis im Angebot.

Der Erfolg von Kochshows ist für die DLG-Prüfbevollmächtigte für Feinkost, Barbara Becker, ein Grund für den Siegeszug des Balsam-Essigs. Dort werde er immer wieder als besondere Zutat eingesetzt. Außerdem schwinge „immer ein bisschen Italien“ mit. Ähnlich wie der Essig seien auch besondere Senf-Sorten in den vergangenen Jahren zu Trend-Lebensmitteln geworden.

Außer Geruch und Geschmack nahmen die Prüfer der DLG auch Konsistenz und Aussehen der Produkte unter die Lupe. Ein guter Essig soll eine einheitliche, klare Farbe haben und darf nicht flockig sein. Ist der Geschmack dumpf oder muffig, deutet das auf falsche Lagerung hin. Auch ein sogenannter Mäuselton kann sich einstellen - der Geruch nach Mäuse-Urin.

Nur wenn ein Produkt in allen vier Kategorien fünf Punkte erreicht, erhält es das goldene Qualitätssiegel der DLG. Die Hersteller, die ihre Produkte freiwillig testen lassen, können dann damit werben. Negative Ergebnisse veröffentlicht die DLG nicht.

Von den 32 getesteten Essigen erhielten 14 nach der sensorischen Prüfung die Auszeichnung Gold, acht Silber und sechs Bronze. Bevor sich die Essig-Produzenten damit schmücken können, müssen jedoch noch die zusätzlichen Labortests positiv ausfallen. Die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft testet rund 27 000 Lebensmittel im Jahr und beschäftigt etwa 2000 ehrenamtliche Prüfer.