Brustimplantate-Skandal: Viele Frauen haben Angst

Berlin (dpa) - Der Skandal um minderwertige Silikonkissen verunsichert viele Frauen - auch Krebspatientinnen. Dabei sind Brustimplantate an sich „kein Teufelsding“, wie Experten betonen.

Seit dem offiziellen Rat an Frauen, sich Silikonkissen der Firmen PIP und Rofil lieber entfernen zu lassen, stehen die Telefone bei den Fachgesellschaften nicht still. „Wir haben nun zahlreiche Anrufe von Frauen, teilweise in Panik, die Implantate anderer Hersteller tragen und sehr besorgt sind“, sagt Prof. Diethelm Wallwiener, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Senologie (DGS) mit Sitz in Berlin.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte kürzlich empfohlen, die PIP-Silikonkissen herausoperieren zu lassen. Auch ohne Risse könne gesundheitsgefährdendes Silikon austreten. Die Experten sprechen dabei von „Ausschwitzen“. Ein Zusammenhang zwischen den Implantaten und Krebs wird befürchtet, bewiesen ist er aber nicht. Fachgesellschaften raten zu einer „Entfernung ohne Eile“.

In den PIP-Implantaten war teilweise minderwertiges Industriesilikon anstelle von medizinischem Silikon verwendet worden. Ihr Einsatz war bereits im April 2010 europaweit untersagt worden. Die niederländische Firma Rofil hat dem Bundesinstitut zufolge solche Implantate bei PIP eingekauft und unter eigenem Namen vertrieben.

Silikon-Brustimplantate werden zur Vergrößerung von Brüsten aus ästhetischen Gründen verwendet - aber nicht nur. Wallwiener mahnt zur Besonnenheit. „Per se sind Brustimplantate ja kein Teufelsding. Frauen nach einer Brustkrebserkrankung oder mit gutartigen Fehlbildungen der Brust können dadurch ein ganzes Stück Lebensqualität wiedererlangen“, sagt der Ärztliche Direktor der Universitäts-Frauenklinik in Tübingen.

„Dazu muss man wissen, dass früher alle Brustimplantate aus Silikon unter Umständen nach 10 bis 15 Jahren gewechselt werden mussten. Darüber werden die Frauen vor der Operation aufgeklärt.“ Inzwischen habe sich die Qualität des Materials jedoch verbessert. „In vereinzelten Fällen kann es sein, dass nachoperiert werden muss, weil sich die Brust verformt, entzündet oder schmerzhaft ist oder sich eine Bindegewebskapsel um das Implantat bildet.“

Solch eine Kapselfibrose könne sich über viele Jahre entwickeln, Symptome seien Verformungen und Schmerzen. „Die Ursache ist, dass der Körper der Frau die Prothese als Fremdkörper ablehnt und darauf reagiert.“ Risse in den Silikonkissen kämen bei den nun gängigen Produkten nur zu wenigen Prozenten vor. Zu den weiteren Herstellern von Brustprothesen gehören unter anderem die Firmen Allergan und Mentor aus den USA, sowie das deutsche Unternehmen Polytech Health & Aesthetics GmbH aus dem hessischen Dieburg.

Die Implantate sind demnach entweder rund oder tropfenförmig („anatomisch geformt“), das Silikongel wird von einer festen Silikonhülle umgeben. Diese sei bei tropfenförmigen Implantaten angeraut, um eine bessere Haftfähigkeit zu gewährleisten.

Der Ratschlag der Fachgesellschaften lautet, von einem Arzt untersuchen zu lassen, ob Implantate möglicherweise gerissen sind und sich Silikon in der Brust verteilt hat. „Hinweise beim Abtasten sind Knoten, Verformungen, Rötungen oder Schwellungen. Mit Ultraschall oder der teureren Kernspintomographie kann man untersuchen, ob Flüssigkeit aus den Implantaten ausgetreten ist“, sagt Prof. Peter Vogt, Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC). Doch könnten die Ärzte nicht 100-prozentig feststellen, ob dies der Fall sei.

Auch die Fachgesellschaften lassen sich nun von Werkstoffexperten beraten, was die Eigenschaften des Industriesilikons angeht, das unerlaubterweise verwendet wurde. Unklar sei, ob und wie toxisch es für den Körper ist. Vogt ruft dazu auf, bei Implantatswechseln das umliegende Brustgewebe der Frauen im Labor untersuchen zu lassen, um Erkenntnisse über mögliche Schäden zu gewinnen.

Welche Möglichkeiten aber haben Frauen, die nun ganz auf Silikon in ihren Brüsten verzichten wollen? „Es gibt Implantate mit Kochsalzlösung, die haben aber auch eine Silikonhülle und wirken nicht so natürlich. Viele Frauen wollen diese nicht“, sagt Vogt von der Medizinischen Hochschule Hannover. Bei Sojaöl-Prothesen war bereits vor Jahren die Entfernung empfohlen worden, weil eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden konnte. Weitere Verfahren wie eine Brustvergrößerung durch Unterdruck, Fettinjektionen oder das Spritzen von Füllmaterialien wie Hyaluronsäure würden derzeit noch nicht von der DGPRÄC empfohlen, weil keine Langzeitergebnisse vorlägen.

Nach Brustkrebsoperationen bestehe auch die Möglichkeit, die Brust durch körpereigenes Gewebe der Patientin wieder aufzubauen, sagt Wallwiener. „Dabei werden Haut-Muskel-Gewebe-Lappen von anderen Körperregionen entnommen, beispielsweise dem Rücken oder dem Bauch. Diese Operationen sind aber aufwendig und kommen eher nicht infrage, wenn eine Frau sich aus kosmetischen Gründen die Brust vergrößern lassen möchte.“ Weil es kein zentrales Register gibt, ist die Gesamtzahl der jährlich eingesetzten Brustimplantate unklar. Weltweit sollen zwischen 400 000 und 500 000 Frauen Implantate der französischen Firma Poly Implant Prothèse erhalten haben.