Deutsche kommen zu oft in die Röhre
Die Kernspintomographie boomt. Doch Experten warnen: Das Verfahren ist teuer und bringt häufig keinen Nutzen.
Berlin. Immer mehr Patienten in Deutschland lassen sich für aufwendige Diagnosebilder mit Hochtechnologie durchleuchten. Der Boom der Verfahren kostet die Beitragszahler Milliarden.
Zuletzt erhielten sechs Prozent der Bevölkerung mindestens eine Computertomographie (CT) im Jahr, wie der Arztreport 2011 der Krankenkasse Barmer GEK zeigt. Die Kernspintomographie (MRT) wird in Deutschland sogar weltweit am häufigsten gemacht. „Mehr als sieben Prozent waren in der Röhre“, sagte Vizechef Rolf-Ulrich Schlenker.
Der Anstieg bei MRT und CT ist rasant. Der Anteil der Menschen mit mindestens einer MRT stieg von 2004 bis 2009 um 41 Prozent. Bei der Computertomographie (CT) waren es 26 Prozent. „Die Deutschen sind gut durchleuchtet“, sagte Schlenker.
International liegt Deutschland mit 97 MRT-Untersuchungen pro 1.000 Einwohnern bereits an der Spitze vor den USA. Beim CT ist Deutschland im Mittelfeld. 1,76 Milliarden Euro kosten diese Diagnosen im Jahr. Die Untersuchungen werden bei Verdacht auf Knochenschäden, Krebs und anderen Leiden eingesetzt.
Anders als oft angenommen sei nicht die Alterung der Gesellschaft der Haupt-Kostentreiber im Gesundheitswesen, sondern der immer breitere Einsatz von Hochtechnologie, schlussfolgerte Studienautor Friedrich Wilhelm Schwartz.
Die Experten machten keinen Hehl an Zweifeln zum Nutzen des massenweisen CT- und MRT-Einsatzes. Daten dazu gebe es kaum, doch Schwartz meinte, dass auch auf Deutschland eine Erkenntnis aus der Schweiz zutreffen könnte: „In weniger als 50 Prozent dieser Bilderflut werden sinnvolle Konsequenzen für die Therapie gezogen.“ Oft würden die Bilder falsch bewertet. Erkannte Schäden blieben unbehandelt.
Warum dann der Boom? Schwartz hält unter anderem die weite Verbreitung der rund 4.500 CT- und MRT-Geräte in Deutschland für eine Ursache. So koste eine Maschine ab 750.000 Euro — bei rund 700 Euro Kosten für eine Untersuchung brauche ein Arzt mehr als 1.000 Einsätze, bis sich die Maschine rechne.