Markt für Fairtrade-Ware wächst
Berlin (dpa) - Einkauf mit gutem Gewissen - was früher Idealisten in Weltläden trieb, ist in die Supermärkte vorgedrungen: Fairtrade-Produkte gibt es fast an jeder Ecke. Doch es bleibt ein Nischenmarkt.
50 Cent mehr für eine Rose, um Arbeiterinnen in Tansania zu helfen? Ein Euro mehr für das Pfund Kaffee, damit Kleinbauern in Honduras ihr Auskommen haben? Mehr Deutsche greifen zu sogenannten fair gehandelten Produkten. „Fairtrade boomt“, schwärmen die Vertreter des Segments, das kleinen Herstellern in Entwicklungsländern gute Preise sichern soll. Die Umsätze wachsen zweistellig und zwar längst nicht mehr nur in Weltläden: Selbst Lidl und Blume 2000 haben inzwischen Fairtrade-Produkte im Sortiment. Ob Fairtrade der Weg aus der Nische gelingt, ist allerdings fraglich.
Die Rosenfarm Kiliflora liegt im Norden Tansanias. Mehr als 1000 Menschen arbeiten dort und exportieren bis zu 500 000 Rosen pro Tag nach Europa. 60 Prozent gehen in den „fairen Handel“ - zu einem garantierten Mindestpreis, unabhängig von den Schwankungen auf dem Weltmarkt. Aus dem Erlös daraus hat die Farm nach Angaben des Forums Fairer Handel seit 2003 zwei Millionen Euro in soziale Projekte gesteckt, darunter eine Grundschule.
Seit Jahrzehnten gibt es in Deutschland Fairtrade-Produkte, doch erst seit einigen Jahren schnellen die Umsätze in die Höhe - wenn auch von niedrigem Niveau ausgehend. Nach Angaben des Forums Fairer Handel in Berlin lag der Umsatz in Deutschland 2009 bei 322 Millionen Euro - fünf Jahre zuvor waren es noch 99 Millionen Euro.
Weltweit stieg der Umsatz laut der „Fairtrade Labeling Organisation International“ auf 3,4 Milliarden Euro. In Deutschland dürfte es so weitergehen: Der von Kirchen und entwicklungspolitischen Organisationen getragene Verein Transfair in Bonn, dessen Siegel auf drei Viertel der fair gehandelten Waren prangt, hat in den ersten neun Monaten 2010 ein weiters Plus von 22 Prozent verbucht.
„Die Biowelle trägt uns ein bisschen mit“, sagt Forumsprecher Markus Gilles. Die Deutschen kauften nach Skandalen um BSE, Gammelfleisch und Dioxin bewusster ein. „Zunehmend sind die Bio-Käufer bereit, auch den zweiten Schritt der Nachhaltigkeit zu gehen.“ Unter dem Fairtrade-Siegel heißt das: existenzsichernde Mindestpreise für die Produzenten, zusätzliches Geld für Gemeinschaftsprojekte, Verbot von Kinderarbeit, Umweltschutz, langfristige Handelsbeziehungen.
Wichtigste Produkte bleiben die Fairtrade-Klassiker Kaffee, Schokolade und Honig. Aber es gibt auch Mango-Likör und italienische Biscotti, Tee von Assam bis Yogi, Pfeffer und Senf. Außer in den rund 800 deutschen Weltläden bieten 30 000 Supermärkte, Bioläden und Drogerien Fairtrade-Produkte.
Doch noch ist „Fair“ eine Nische, die sich zudem hauptsächlich auf Lebensmittel beschränkt. Schon gegenüber dem Bio-Lebensmittelumsatz von 5,85 Milliarden Euro in 2009 nehmen sich die 322 Millionen Euro für Fairtrade bescheiden aus, erst recht gegen den Gesamtumsatz des Lebensmitteleinzelhandels von regelmäßig rund 150 Milliarden Euro. Kein Wunder, dass weder die Handelsexperten der Gesellschaft für Konsumforschung noch des EHI Retail Institute eine Prognose wagen wollen - sie haben noch keine belastbaren Studien.
Der Lebensmittel-Riese Rewe gibt sich deshalb auch keinen Illusionen hin. Zwar gebe es ein gesteigertes Interesse der Kunden, sagt Sprecherin Julia Robertz. „Immer mehr Konsumenten fragen sich, woher welche Produkte stammen und zu welchen Bedingungen sie hergestellt wurden.“ Die Kölner haben Kaffee, Tee, Orangensaft, Wein und Schokolade mit Fairtrade-Siegel im Angebot. Aber weil nicht alle Handelsketten mitziehen, ist Robertz überzeugt: „Der Markt für Fairtrade-Produkte wird also auch in Zukunft ein Nischenmarkt bleiben.“
Die Deutschen - gewöhnt an billige Lebensmittel - scheuen den höheren Preis. Pro Kopf haben sie zuletzt nicht einmal vier Euro im Jahr für Fairtrade ausgegeben. Bei den Briten waren es laut Forum Fairer Handel 23 Euro, in der Schweiz 15 Euro. Die Branche ist trotzdem optimistisch. „Wir wollen natürlich, dass der ganze Handel fair wird“, sagt Sprecher Gilles, räumt aber ein: „Mit Blick auf die anderen Erzeugnisse ist da schon noch Luft nach oben.“