Die biologische Zahnbürste
Beschützer, Bewacher, Ausputzer: Speichel ist wichtig für unsere Gesundheit.
Düsseldorf. Sie wird unterschätzt und verschämt weggewischt. Schlecht erzogene Jungs oder Profifußballer speien sie auf Asphalt und Rasen. Dabei kann sie so viel und ist enorm wichtig für unser Wohlbefinden: Die Spucke führt ein Schattendasein, und das soll mit dem diesjährigen "Tag der Zahngesundheit" ein Ende haben. "Gesund beginnt im Mund - aber bitte mit Spucke" lautet das Motto für die Aktionen rund um den heutigen Tag.
"Spätestens, wenn einem buchstäblich die Spucke weg bleibt’, denkt man über die Bedeutung des Speichels nach", sagt Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer.
Einen Liter davon produziert der Körper jeden Tag in den Speicheldrüsen, und das Sekret ist ganz entscheidend für so alltägliche Dinge wie Sprechen, Schlucken und Essen. "Speichel durchfeuchtet den Mund und die Nahrung", sagt Oesterreich, "er wirkt als Gleitmittel beim Schlucken, reinigt den Mund und die Zähne." Speichel sei "eine Art biologische Zahnbürste".
Speichel schützt vor Säuren, kann den Zahnschmelz remineralisieren und Bakterien, Viren und Pilze abwehren. "Der Mund ist für so vieles eine Eintrittspforte in den menschlichen Körper", sagt Oesterreich, "einem wirksamen Abwehrsystem an dieser Stelle kommt eine bedeutende Wächterfunktion zu."
Wie quälend ein Leben mit zu wenig Speichel sein kann, spüren Menschen mit Xerostomie. Mindestens vier Prozent der Bevölkerung leiden laut Bundeszahnärztekammer an der Mundtrockenheit, die das Essen zur Qual macht, das Sprechen erschwert, die Lippen aufreißen lässt.
Zudem haben Menschen mit trockenem Mund ein erhöhtes Karies-Risiko. Betroffen sind oft alte, bettlägerige Menschen, Raucher, Diabetiker oder auch kurzfristig kranke Menschen. Denn viele Medikamente wie Schmerzmittel, Blutdrucksenker, Antibiotika oder auch eine Chemotherapie können zu Mundtrockenheit führen.
Speichel besteht zu 99 Prozent aus Wasser. Doch das eine Prozent habe es in sich, erklärt Dietmar Oesterreich: "Die schützende Wirkung des Speichels beruht auf dem Eiweißgehalt und den Anteilen an Kalzium und Phosphaten." Erst der Eiweißfilm bewirke den Gleitmechanismus der Spucke, und die Mineralien stärkten den Zahnschmelz.
Doch nicht nur in der Zahnmedizin steigt derzeit die Bedeutung des Speichels: Mit Speichel lassen sich Straftäter überführen, und die menschliche Spucke ist auch für die Diagnostik allgemeinmedizinischer Erkrankungen ein wichtiger Indikator. "Wissenschaftler arbeiten derzeit weltweit intensiv an Möglichkeiten, chronische oder akute Erkrankungen von Herz, Leber und Niere frühzeitig mit Hilfe des Speichels aufzudecken", betont Dietmar Oesterreich.
Speichel bringt aber als "Transporter-Medium" auch Krankheitskeime in den Körper: Über kleine Mundverletzungen gelangen die Bakterien in die Blutbahn. Kardiologen sehen inzwischen orale Keime als Hauptbeteiligte an der Entwicklung einer Herzinfektion (Endokarditis). Das Risiko für einen Herzinfarkt steigt also bei schlechter Mundhygiene - auch bei ansonsten gutem Gesundheitszustand.
Von den 100 Millionen Bakterien, die allein pro Milliliter Spucke zu finden sind, kennt die Wissenschaft längst nicht alle. Viele haben schützende Funktionen. "Vor allem aber in entzündeten Zahnfleischtaschen ist die Keimmischung nicht mehr im Gleichgewicht", erklärt Prof. Georg Meyer von der Universität Greifswald. "Solche Taschen werden vom Speichel nicht gespült und vom Mundraum nicht belüftet - damit können sich die pathogenen Keime massiv vermehren."
Vorsorge lohnt sich also. Im vergangenen Jahr 2007 gaben die gesetzlichen Krankenkassen insgesamt 466 Millionen Euro dafür aus, für zahnmedizinische Individual- und Gruppenprophylaxe sowie die zahnärztlichen Kinder-Früherkennungsuntersuchungen. Für Versicherte aller Altersklassen sind pro Jahr zwei Vorsorgeuntersuchungen kostenfrei.