Ein neues Leben ohne Zigarette
Ein Heilpraktiker im Saarland soll ein Heilmittel gebraut haben. Es ist nicht ganz unumstritten.
Illingen. Uchtelfangen ist ein Nest mit 4400 Einwohnern in der saarländischen Marktgemeinde Illingen. Außer einem Schwimmbad und einem Vogellehrpfad gibt es keine Attraktionen. Dennoch boomt der Fremdenverkehr. Besucher aus allen Teilen Deutschlands, aus Frankreich, Italien, Holland und der Schweiz wollen in Uchtelfangen ihre letzte Zigarette rauchen.
Heilpraktiker Markus Gross (37) steht in dem Ruf, ein Wundermittel gegen die Zigarettensucht gefunden zu haben. Vor seinem Haus in der Göttelborner Straße 29 stehen die Raucher Schlange. Bis zu fünf Monate haben sie auf einen Termin gewartet. Alle haben den "heißen Tipp" durch Mundpropaganda bekommen. "Ein Arbeitskollege hat auf der Fahrt hierher noch eine Stange Zigaretten gekauft, weil er der ganzen Sache nicht traute. Auf der Rückfahrt ins Ruhrgebiet hat er an einem Rastplatz alle Zigaretten in den Müll geworfen. Das war vor 14 Monaten, seither ist er clean."
Solche Geschichten kursieren in der Warteschlange in Hülle und Fülle. Fast 100 000 haben inzwischen mit der "Neurasan-Entwöhnungstherapie" den Absprung geschafft. Manche Firmen karren die ganze Belegschaft heran und zahlen die 90 Euro für die Therapie.
Gross ist umstritten. Weil er seine Rezeptur geheim hält ("das ist mein Kapital"), konnte die Wirkungsweise bisher nicht geprüft werden. Auch Fachblätter für Suchtentwöhnung schweigen. Versuche, Mixtur oder Rezeptur zu stehlen, schlugen bisher fehl. Im Internet bezeichnen einige Patienten, bei denen die Therapie nicht wirkte, Gross als Scharlatan. Aber die ganz große Mehrheit bekundet: "Hätte ich früher von der Methode erfahren, hätte ich längst aufgehört."
Gross hat nie geraucht, aber in seinem früheren Beruf als Krankenpfleger die Folgen der Nikotin-Sucht kennengelernt. "Selbst nach schwersten Operationen wollen Raucher ganz schnell wieder rauchen. Viele haben mir gesagt, dass sie gern aufhören würden, es aber nicht schaffen. Damals begann ich mit der Suche nach Substanzen, die bei der Entwöhnung helfen."
Nach zahllosen Versuchen war schließlich eine Mixtur aus pflanzlichen Stoffen gefunden, die Wirkung zeigt. Gross in seinem Einführungsvortrag vor Patienten: "Je nach Dauer der Raucherkarriere und der Anzahl der täglichen Zigaretten gibt es acht bis zwölf Injektionen in Ohrmuschel und Ohrläppchen jeder Seite.
Dann dauert es zwischen zehn Minuten und 24 Stunden, bis die Wirkung eintritt. Ohne Entzugserscheinungen wie Nervosität, Aggressivität, Depressivität, Zittrigkeit und ohne ständig an Zigaretten denken zu müssen, können Sie frei entscheiden, ob Sie aufhören oder weiter rauchen wollen."
Allerdings, so räumt Gross ein: "Sie sind süchtig. Wenn Sie auch nur eine Zigarette rauchen oder sich Nikotin zuführen, wirkt die Therapie nicht mehr. Sie werden bis ans Lebensende gelegentlich den Wunsch nach einer Zigarette haben. Es ist eine Frage des Willens, ob Sie dem Wunsch nachgeben wollen."
Um das Rückfallrisiko zu verringern, rät Gross, zehn Tage auf Kaffee, Tee und Alkohol zu verzichten und mindestens 2,5 Liter Wasser zu trinken. Besonders Kaffee und Alkohol lösen vielfach einen automatischen Griff zur Zigarette aus. Das viele Wasser entgiftet und verhindert, dass mehr gegessen wird und das Gewicht zunimmt.
Gross sagt nichts, wenn geäußert wird, dass auch er nicht wisse, wie seine Mixtur wirkt. Vermutlich blockiert "Neurasan" die Nikotin-Rezeptoren des Körpers. "Ist nicht entscheidend, dass es in 90 Prozent der Fälle auf Anhieb klappt? Zehn Prozent sprechen aus unbekannten Gründen gar nicht auf die Therapie an oder erst nach ein oder zwei Nachbehandlungen."
In der Warteschlange herrscht fröhliche Stimmung, die Erleichterung über einen einschneidenden Entschluss. Ein Arzt, der seine Frau herchauffiert hat, sagt: "Es gibt jetzt auch ein Medikament, das eine Erfolgsquote von rund 50 Prozent hat, aber auch heftige Nebenwirkungen. Deshalb habe ich meiner Frau geraten, erst einmal diese Methode zu probieren."
Ein Pforzheimer hat schon alles versucht und bisher nur Lehrgeld bezahlt: "Hypnose für 140 und Akupunktur für 480 Euro." Zwei junge Frauen haben es "satt, in unserer Clique allmählich isoliert zu werden": "Rauchen ist heute nicht mehr cool."