Das Phänomen Linkshänder

Immer noch sind die meisten Geräte für Rechtshänder konstruiert.

Münster. Am Computer sitzt der Ziffernblock auf der falschen Seite. Am Geldautomaten wird der Karteneinschub zur Fingerübung. Wenn es um das Bedienen technischer Geräte geht, fühlen sich Linkshänder bisweilen, als ob sie zwei linke Hände hätten. Ihr Problem: Fast alle Automaten, Werkzeuge oder Musikinstrumente sind für Rechtshänder konstruiert. Auf diese Benachteiligungen macht der Weltlinkshändertag aufmerksam.

Die Diskriminierung von Linkshändern fange schon in der Kindheit an, sagt Matthias Wüstefeld. Er ist Linkshänder, wurde jedoch in der Grundschule wie viele andere linkshändige Kinder gezwungen, mit rechts zu schreiben. Erst vor knapp zehn Jahren - im Alter von 43 - begann Wüstefeld auf seine eigentlich dominante Hand zurückzuschulen. Heute werde ihm schwindlig, wenn er mit rechts schreiben müsse.

Beruflich hat Wüstefeld als Feinmechaniker begonnen. Doch die für Rechtshänder konstruierten Maschinen ließen ihn an seine motorischen Grenzen stoßen. Wüstefeld sattelte um, studierte Sozialpädagogik und betreibt heute in Münster eine von bundesweit 76 Beratungsstellen für Linkshänder.

Vor zwei Jahren erschien Alexandra Marschner mit ihrem Sohn Felix in der Beratungsstelle. Felix hatte damals erhebliche Probleme, in der Grundschule mitzukommen, erzählt Marschner: "Felix war immer sehr unkonzentriert." Dass ihr Sohn es nach der Grundschule auf das Gymnasium schaffen würde, daran hatten sie und ihr Mann schon fast nicht mehr geglaubt. "Wir haben zu Felix gesagt, wenn er es auf die Hauptschule schafft, ist das gut." Inzwischen ist von Hauptschule keine Rede mehr. Nach den Sommerferien geht es für Felix am Gymnasium weiter.

Innerhalb von zwei Jahren hat der Elfjährige einen erstaunlichen Leistungsschub hingelegt - nach Überzeugung der Eltern ist die 2007 begonnene Rückschulung ihres Sohnes auf links der Grund. Felix sei kein Einzelfall, sagt Wüstefeld. Viele Kinder blühten auf, wenn sie damit begännen, ihre dominante Hand zu gebrauchen. Sie gewännen an Selbstsicherheit. Im Gegenzug bringe das zwangsweise Drillen auf Rechts gravierende Probleme mit sich: "Mögliche Primärfolgen sind Konzentrationsschwierigkeiten, Lese- und Rechtschreibschwächen oder auch Sprachstörungen wie Stottern."