Dubioses Pferdefleisch rückt Billig-Produkte in den Fokus
Düsseldorf (dpa) - Unter dem Pferdefleisch-Skandal könnte das Vertrauen in Billigprodukte leiden, meinen Experten. Die Lebensmittelhändler müssten künftig schneller mit eigenen Tests reagieren.
Mit Billig-Lasagne fing alles an. Dann gerieten auch andere Fertiggerichte in den Verdacht, Pferdefleisch zu enthalten - entgegen den Angaben auf dem Etikett. Mit Kaiser's Tengelmann, der Metro-Tochter Real, Edeka, Rewe, Lidl sowie Aldi Nord und Aldi Süd nahmen viele große Lebensmittelhändler einzelne Produkte vorsorglich aus den Regalen. Aldi Nord wies in einer Stellungnahme darauf hin, dass aktuell nichts auf ein gesundheitliches Risiko für die Verbraucher hindeute. Aber das Vertrauen in Billigprodukte könnte nach Expertenmeinung leiden. Die Händler gehen mit den bisher sehr erfolgreichen Eigenmarken auch das Risiko ein, dass ihr Image bei Problemen Kratzer bekommt.
Bei den Verbrauchern entsteht nach Ansicht des Markenberaters Frank Dopheide in der Pferdefleisch-Debatte der Eindruck, dass nicht ein Einzelner einen Fehler gemacht habe, sondern ein Systemfehler vorliege. „Dass man nicht mehr die Kontrolle über die gesamte Produktionskette hat. Dass es im Zweifel nur noch um billig, billig, billig geht.“ Die tiefe Verunsicherung der Verbraucher betreffe deshalb nicht ein einzelnes Unternehmen oder ein einzelnes Produkt, sondern die Eigenmarken der Handelskonzerne insgesamt. Der eine oder andere Verbraucher werde künftig möglicherweise nicht mehr zu dem allerbilligsten, sondern zu dem zweitbilligsten Produkt greifen.
Bei Kaiser's Tengelmann war es eine unter Verdacht stehende Tiefkühl-Lasagne der Eigenmarke „A&P“, die am 6. Februar aus dem Regal genommen wurde. Real rief eine Woche später Lasagne Bolognese der Eigenmarke „TiP“ zurück. Edeka nahm Lasagne Bolognese der Eigenmarke „Gut & Günstig“ aus dem Verkauf. Bei Lidl wurde unter anderem ein Tortelloni-Produkt gestoppt. Bei Aldi Süd waren es ein Gulasch und Ravioli Bolognese in der Dose. Bei Aldi Nord neben Dosen-Gulasch eine Penne Bolognese. Die Rewe nahm aufgrund eines Herstellerverdachtes Chili con Carne und Spaghetti Bolognese, die den Namen Rewe tragen, aus dem Verkauf.
Nach Daten der GfK-Konsumforscher geben die deutschen Verbraucher jeden vierten Euro im deutschen Lebensmittelhandel für Eigenmarken der Handelsunternehmen in der untersten Preislage aus. Handelsexperte Wolfgang Adlwarth von der GfK beobachtet aber seit längerem einen Trend zu mehr Qualität. Premium-Eigenmarken seien im Kommen. Das hätten neben den Supermärkten auch die Discounter gezeigt, die im Weihnachtsgeschäft mit zeitlich befristeten Angeboten wie „Aldi Gourmet“ und „Lidl Deluxe“ erfolgreich gewesen seien. 2012 sei mehr als ein Drittel der Lebensmittelausgaben auf die Billigmarken und Premiummarken entfallen.
Mit den Eigenmarken haben die Supermärkte den Discountern Aldi und Lidl erfolgreich die Stirn geboten - nach dem Motto, billig können wir auch. Bei Real sind es beispielsweise über 800 Produkte unter der Eigenmarke „TiP“, die für „Toll im Preis“ steht. So kostete die zurückgerufene TiP-Lasagne (400 Gramm) je nach Region 1,25 oder 1,39 Euro. Bei Edeka betrug der empfohlene Verkaufspreis der aus dem Regal genommenen Lasagne auch nur 1,25 Euro. Edeka hat insgesamt über 1000 Artikel unter der Eigenmarke „Gut & Günstig“ im Sortiment. Bei Kaiser's Tengelmann kostete die gestoppte „A&P“-Lasagne auch nur 1,25 Euro. Die Supermarktkette verkauft über 400 „A&P“-Produkte.
Die großen Lebensmittelhändler müssten künftig schneller mit eigenen Tests reagieren, um nicht Vertrauen zu verspielen, meint Discount-Experte Matthias Queck vom Handelsinformationsdienst Planet Retail. Bereits vor etwa einem Monat habe falsch deklariertes Pferdefleisch in Irland für Aufsehen gesorgt. „Es liegt in der Branche nahe, dass sich so etwas durch die gesamte EU zieht und nicht auf ein Land begrenzt bleibt.“ Je mehr Hände im Spiel seien, desto größer sei das Risiko, dass es in der Lieferkette irgendwo ein Schlupfloch gibt. Die Herausforderung sei, Betrug so weit wie möglich auszuschließen, ohne dass die Lebensmittel durch teure Prüfungen letztlich unbezahlbar würden.
Leiden auch andere Eigenmarken-Produkte unter den dubiosen Pferdefleisch-Funden? „Die Gefahr von Dachmarken ist, dass es Ausstrahlungseffekte gibt“, meint Konsumforscher Adlwarth von der GfK. Kurzfristig könnte sich das Verbraucherverhalten ändern - es falle aber relativ schnell wieder in gewohnte Bahnen zurück. Queck sieht die Händler in der Pflicht, für mehr Transparenz zu sorgen. Seit Jahren gebe es den Trend, das anonyme „Hergestellt für...“ durch den Herstellernamen zu ersetzen. Allerdings geht er nicht davon aus, dass künftig überall Klartext geredet wird. Wenn ein Hersteller von Markenartikeln daneben auch Billigprodukte herstellt, wolle er das nicht unbedingt auf der Verpackung plakatieren.