Endlich wieder hören - wie ein kleines Gerät im Ohr helfen kann
Trier/Mainz (dpa) - Mit einer elektronischen Prothese können viele Taube und Schwerhörige wieder hören. Die Cochlea-Implantate können ihr Leben radikal verbessern. Rund 70 Kliniken in Deutschland bieten inzwischen den Eingriff und die Nachsorge an.
Dieter Schmitz hat acht Hörstürze gehabt. Nach jedem hörte er schlechter. Dann kam auch noch ein ständiger Pfeifton dazu. 15 Jahre lang trug er Hörgeräte, am Ende ging fast gar nichts mehr. „Sogar mit den Geräten hörte ich auf einem Ohr nur noch 20 Prozent, auf dem anderen noch 30 Prozent“, sagt der Trierer. Die Folge: Er zog sich gesellschaftlich immer weiter zurück: „Das war schon sehr belastend. Ich war oft mit mir sehr allein.“
Doch dann hat sich der ehemalige Banker in diesem Jahr eine elektronische Hörprothese, ein sogenanntes Cochlea-Implantat (CI), einsetzen lassen. Dabei wird hinter der Ohrmuschel ein Elektrodenträger in das Innenohr eingesetzt. Über ein kleines Mikrofon am Ohr werden die Töne und Laute über ein Kabel von außen zum Elektrodenträger geleitet - und der Hörnerv elektrisch stimuliert. Das Gehirn erkennt dann den Schall.
„Als ich das erste Mal das Implantat mit dem Mikro verbunden habe, habe ich vor Freude geweint“, erzählt Schmitz nach seiner Operation im CI-Zentrum des Klinikums Mutterhaus der Borromäerinnen in Trier. „Ich habe von der ersten Sekunde an wieder gehört.“ Seine eigene Stimme klinge zwar ein wenig metallisch-blechern: „Als ob ich durch ein Stahlrohr spreche, aber das ist nicht wichtig. Hauptsache ich höre“, sagt der 66-Jährige.
Für hochgradig Schwerhörige, Gehörlose oder Ertaubte könne ein Hörimplantat eine Rettung sein, sagt Oberarzt Titus Kaldenbach, der am Klinikum Mutterhaus das CI-Zentrum leitet. Unter der Voraussetzung: Der Hörnerv ist vorhanden. „Bei 98 Prozent ist das der Fall“, sagt der gebürtige Aachener, der das Zentrum 2006 gegründet hat. Allerdings müssen die Patienten mit dem Hörimplantat häufig erst wieder hören lernen. „Vor allem, wenn sie lange nicht gehört haben, müssen sie sich erst wieder erinnern.“
Es gebe immer mehr CI-Operationen, sagt Professorin Annerose Keilmann, Leiterin des Schwerpunkts Kommunikationsstörungen an der Universitätsmedizin Mainz. Dies liege auch daran, dass die Geräte besser würden und für mehr Patienten infrage kämen. Es bleibe dennoch ein besonderer Eingriff. „Man muss sich im Klaren darüber sein, dass solch eine Operation mit einer lebenslangen Nachsorge verbunden ist.“
Bundesweit lebten inzwischen rund 33 000 Menschen mit solchen Implantaten, sagt der Präsident der Deutschen Cochlear Implant Gesellschaft, Franz Hermann, im bayerischen Illertissen. Im Jahr würden rund 3500 Patienten in Deutschland operiert, die Technik werde immer besser. „Das ist ein großer Fortschritt“, sagt Hermann. Rund 70 Kliniken, vor allem Unikliniken oder Landeskliniken, böten diesen Eingriff plus Nachsorge an.
In Trier liegt die Zahl der Eingriffe bei etwa 20 im Jahr, Tendenz steigend. „Ab 2014 werden wir erstmals auch Kinder behandeln.“ Gerade bei Säuglingen und Kleinkindern sei eine rasche Behandlung wichtig. Wenn man ein Kind unter zwei Jahren rechtzeitig versorge, dann habe es die Chance, später weitgehend normal eine Schule zu besuchen, sagt der Hals-Nasen-Ohren-Facharzt Kaldenbach.
Bei Dieter Schmitz hat die Hörprothese das Leben vollkommen verändert. Rechts hört er wieder 90 Prozent, links 70 bis 80 Prozent. „Ich gehe ins Theater, ins Kino, in die Kirche und in die Kneipe. Und ich bekomme alles mit“, sagt er. Nur das Telefonieren klappe nicht so gut. „Es ist ein ganz anderes Leben“, sagt Ehefrau Marlies Schmitz. Früher hätten sie beide eher non-verbal kommuniziert. Aber trotz aller Vorteile: „Das normale Hörempfinden kann das Gerät einem nicht zurückgeben. Wenn er das CI auszieht, ist er taub.“