Essen gut, alles gut: So werden Gefühle gekocht

Hildesheim (dpa) - Nicht grundlos haben sich Wendungen wie „vor Wut kochen“ oder Wörter wie „Frustessen“ in unserem Wortschatz festgesetzt. Wie eng Emotionen und Essen miteinander verbunden sind, zeigen Kochauszubildende und Psychologiestudenten im „Kochbuch der Gefühle“.

Eine heiße Suppe oder eine gut gewürzte Mahlzeit - das isst Carla Gross am liebsten, wenn sie traurig ist. Kochen war für die 25-Jährige schon immer ein „Familien-Geborgenheits-Erlebnis“. „Essen kann vieles so wahnsinnig gut kompensieren“, meint sie. Doch kann man Geborgenheit auch zubereiten? Wie schmeckt Euphorie? Und: Aus welchen Zutaten besteht Ekel?

Mit Fragen wie diesen hat sich Carla Gross mit 23 anderen Psychologiestudenten und 17 Kochauszubildenden aus Hildesheim beschäftigt und ein „Kochbuch der Gefühle“ geschrieben. Auf Grundlage von psychologischen Theorien, persönlichem Geschmack und viel Fantasie haben sie zahlreiche Rezepte entwickelt und mit 15 Emotionen verbunden.

„Essen und Hunger - das sind Dinge, die uns stark motivieren und durch die ein Gefühl entsteht“, sagt Psychologieprofessorin Christina Bermeitinger von der Universität Hildesheim. „Wenn wir satt sind, geht es uns gut. Wenn wir Hunger haben, sind wir nervös.“ Dass Kochen und Essen eng mit Gefühlen verbunden sind, brachte sie auf die Idee für das Kochbuch. Gemeinsam mit Lasse Althaus, Fachpraxislehrer für Köche an der Walter-Gropius-Berufsschule, hat sie das Projekt geleitet.

Um die zu kochenden Gefühle auszuwählen, stützten sich die Studenten auf klassische Theorien aus der Psychologie. „Wir haben uns erlaubt, die Basisemotionen wie Angst, Ekel, Trauer, Überraschung, Wut und Freude individuell zu erweitern“, berichtet Bermeitinger. Um auch Stolz, Vorfreude oder Fernweh in Gerichte zu übertragen, haben sich die Studenten und Auszubildenden dann einfach ausprobiert. Typische Verknüpfungen mit Farben brachten sie für die Wut-Gerichte beispielsweise auf Zutaten wie Tomaten und Paprika oder Erdbeeren und Kirschen. Spielerisch untersuchten sie aber auch Gerüche und beobachteten, wie sie jeweils darauf reagierten.

„Als ich am Chili-Pulver gerochen habe, habe ich mich richtig geekelt“, erzählt Sabrina Schedwill. Entenbrust in Schokoladensauce schmecke für die 22-jährige Auszubildende dagegen nach Überraschung. „Vorher habe ich die Wirkung einzelner Zutaten gar nicht beachtet, sondern sie einfach verarbeitet“, sagt sie. Jan Baegetius (22) ging es ähnlich. „Ich war überrascht von der Idee“, erzählt er. „Aber für mich schmecken süße Sachen wie Bratäpfel oder Marzipan wirklich nach Geborgenheit.“

Allein ums Kochen soll es nach Bermeitinger im Buch aber nicht gehen. Im Vorwort kann deshalb nachgelesen werden, welche Wirkungen von Essen auf die Emotionen wissenschaftlich nachgewiesen wurden. „Essen, aber auch Kochen, wird ganz selbstverständlich und ohne dass wir uns dessen groß bewusst sind, dazu benutzt, um Gefühle zu regulieren“, erläutert Bermeitinger. Bei der Wirkung des Essens gehe es aber nicht nur um den tatsächlichen Einfluss von Inhaltsstoffen auf unseren Körper. „Die Wirkung verläuft auch und häufig gerade über das, was wir darüber glauben.“

Literatur:

Christina Bermeitinger, Lasse Althaus: Kochbuch der Gefühle, Gerstenberg, 144 Seiten, 19,80 Euro, ISBN-13: 978-3-8067-8769-6