Fitness ohne Geräte: Mit Freeletics bis an die Grenze
München (dpa/tmn) - Training mit dem eigenen Körpergewicht ist angesagt. Wenn der Fitnessplan dann noch von einer App erstellt wird, geht man mit einem großen Trend. Doch was taugen Programme wie Freeletics und Co. wirklich?
München (dpa/tmn) - Training mit dem eigenen Körpergewicht ist angesagt. Wenn der Fitnessplan dann noch von einer App erstellt wird, geht man mit einem großen Trend. Doch was taugen Programme wie Freeletics und Co. wirklich?
Die Übungen sind nicht wirklich neu, aber sie tragen beim Fitnesstrend Freeletics neue Namen. Kniebeugen heißen Squats, Liegestütz nennen sich Pushups, Froschsprünge sind Froggers. Philipp Hagspiel sagt auch nicht, dass die Freeletics GmbH in München das Rad neu erfunden hat. Aber man habe „die Übungen in eine neue Form gepackt, damit die Leute nicht ziellos und wahllos trainieren, sondern effizient und nachhaltig“, sagt der Direktor für Forschung und Entwicklung.
Das Besondere an Freeletics: Die Athleten trainieren nur mit dem eigenen Körpergewicht, benutzen also keine Geräte. Ihre regelmäßig nach Leistungsstand aktualisierten Trainingspläne erhalten sie von einem elektronischen Coach, den sie auf der Internetseite des Unternehmens oder via Smartphone-App abrufen können. Damit haben sie die Möglichkeit, an jedem Ort und zu jeder Zeit ihr Sportprogramm zu absolvieren. Auch andere Anbieter wie Gymondo oder Fitnessraum versorgen ihre Nutzer mit Übungen oder Programme via App oder online - fernab von Fitnessstudios oder Sportvereinen.
Freeletics verspricht viel. „Die Form Deines Lebens. Garantiert“, stellen die Münchner auf ihrer Homepage in Aussicht - und das in nur 15 Wochen. Und sie fordern ihre Kunden dafür enorm. „Das ist auch gewollt. Es geht nicht darum, in seiner Komfortzone zu trainieren. In der Komfortzone befinden wir uns viel zu häufig“, sagt Hagspiel.
Für „junge, gesunde und fitte Menschen“ sei das Programm gut, findet Prof. Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule in Köln. Sportanfänger jenseits der 30 sollten aber zunächst in ein Studio gehen und sich vorbereiten, empfiehlt der Leiter des Instituts für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation.
Das Training besteht aus Workouts mit Götternamen wie Aphrodite oder Venus. Sie dauern zwischen 15 und 45 Minuten und setzen sich aus verschiedenen Übungen wie Klimmzügen oder Jumping Jacks (Hampelmännern) zusammen. Dazu kommen Läufe und Sprints. Auch zur Ernährung bekommt man Tipps. Der Leistungsindikator besteht in der korrekten Ausführung und in der Frage: Wie viele Übungen schaffe ich in welcher Zeit? Das neue Programm „2x2“ ermöglicht Workouts auf engstem Raum, etwa auf Geschäftsreisen im Hotelzimmer.
Kern ist das High Intensity Training (HIT), also hochintensive Einheiten von kurzer Dauer, die den Sportler an die Leistungsgrenze bringen. Im Mittelpunkt steht dabei die Kraft-Ausdauer-Komponente, erklärt Hagspiel. Dieser Fitnessbereich biete „die größten Hebel, um Leistung zu maximieren, also möglichst viel Arbeit in möglichst kurzer Zeit zu vollbringen. Das ist genau das, was uns als Training so effizient macht, das heißt schnelle Ergebnisse zu liefern.“
Das Freeletics-Programm findet Michael Branke, Pädagogischer Leiter der Deutschen Fitnesslehrer Vereinigung (DFLV) „extrem“ und für normale Menschen kaum zu schaffen. „Ich glaube, dass viele an der Überlastungsgrenze trainieren. Aber manche mögen das ja auch.“
Auf Übungen mit dem eigenen Körpergewicht setzen die Freeletics nicht nur wegen der Unabhängigkeit von Geräten, sondern auch wegen der funktionellen Bewegungen. Stichwort: Functional Training. „Man erlernt damit effiziente Bewegungsmuster, die für den Alltag eine große Rolle spielen“, sagt Hagspiel. „Und je größer und verbundener die Muskelketten sind, die gleichzeitig trainiert werden, desto größer ist die Effizienz des Trainings.“
Froböse sieht darin den Vorteil natürlicher Bewegungen, die im Alltag „die Basis“ seien. Er gibt aber zu bedenken: „Wenn ich noch keine natürliche Bewegungskompetenz habe, hilft es mir, wenn mich Geräte führen.“ Außerdem gibt es beim Freeletics eben keinen realen Trainer, der die Sportler begleitet und Fehler in der Ausführung gegebenenfalls korrigiert. „Grundsätzlich freue ich mich, wenn junge Menschen in Bewegung kommen und motiviert werden, es dauerhaft zu machen“, sagt Froböse. „Was mir aber nicht gut gefällt ist, wie es gemacht wird. Dass man es im eigenen Kämmerchen macht und die Bewegung nicht kontrolliert wird.“
Hagspiel verweist jedoch darauf, dass Freeletics-Kunden in Tutorial-Videos jederzeit sehen könnten, „worauf man achten muss, damit die Bewegungsausführung sicher ist“. Zudem würden in der Freeletics-Community, die sich häufig auf Bolzplätzen oder in Parks zum Sporttreiben trifft, die Neuen auch Hilfestellungen von den Erfahrenen bekommen.
Dennoch dürfte es für den „Einzelnen, der für sich alleine trainiert, sehr schwer sein, die Übungen richtig zu machen und selbst einzuschätzen, ob er es gut macht oder nicht“, sagt Branke. „Ein Trainer dabei wäre nicht schlecht.“ Die Gemeinschaft bietet aber Wettbewerb: Man kann sich online mit anderen vergleichen. „Wer dann schneller ist, kriegt mehr Punkte, das animiert einfach.“
Mit der ständigen „Grenzbelastung“, hat auch Froböse so seine Probleme. „Da gibt es immer nur: höher, schneller, weiter“, sagt der 58-Jährige. Im Spitzensport würde man das niemals so machen. „Ein Spitzensportler geht vielleicht zu 10 bis 20 Prozent an die Grenze, 80 Prozent ist Basistraining.“