Gar nicht oder kurz: Deutsche vernachlässigen Händewaschen
Berlin (dpa) - Ein Handkuss ist zur Begrüßung wohl genauso wenig ratsam wie ein Händedruck: Viele Menschen nehmen es beim Händewaschen nicht allzu genau.
Experten sehen vor dem Welttag des Händewaschens am 15. Oktober beim Reinigungsverhalten noch Luft nach oben - auch in Deutschland. Ein Überblick:
Geschlecht: Zumindest beim Händewaschen kann von Gleichstellung noch nicht die Rede sein: Frauen gaben in einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) „signifikant häufiger“ als Männer an, sich die Hände zu waschen. Das zeigen laut BZgA auch Beobachtungsstudien der London School of Hygiene & Tropical Medicine mit rund 250 000 Besuchern von Raststätten-Toiletten. Ergebnis: Nicht einmal jeder dritte Mann benutzt dort Wasser und Seife - dafür aber 64 Prozent der Frauen.
Appelle: Hinweisschilder können die Hygiene erhöhen - zumindest bei Männern. An einer US-Universität brachten Forscher auf der Herrentoilette vor einigen Jahren Schilder mit der Aufschrift an: „Vier von fünf Männern waschen sich ihre Hände“. Darauf stieg die Zahl der Händewascher von 77 auf 86 Prozent, wie die Forscher damals im Fachblatt „Human Communication Research“ berichteten.
Keime: Im Normalfall sind auf der Hand 100 Keime pro Quadratzentimeter, wie der Ärztliche Direktor des Deutschen Beratungszentrums für Hygiene, Ernst Tabori, erklärt. Er betont aber: „Nicht die Zahl, sondern die Art der Keime ist entscheidend, ob wir krank werden.“ Gefährlich seien Erreger, die Krankheiten beim Menschen auslösen könnten. Übrigens: „Die Küche ist der Hotspot für Infektionen - vielmehr als das Bad“, sagt der Facharzt. Ihm zufolge finden sich auf dem Toilettensitz bis zu 300 Keime pro Quadratzentimeter. Auf dem Spülbecken sind es rund 30 000.
Anlass: „Nicht die absolute Häufigkeit des Händewaschens ist entscheidend, sondern der Anlass“, erklärt Andrea Rückle, BZgA-Referentin für Infektionsschutz. Das heißt nach Ansicht der Expertin: nach dem Toilettengang, vor und nach dem Essen, nach Kontakt mit Tieren - und bei der Rückkehr nach Hause.
Waschgang: 20 bis 30 Sekunden sind nach Angaben von Experten nötig. Daran halten sich aber die wenigsten Menschen: Eine BZgA-Umfrage ergab 2013, dass nur 38 Prozent der Deutschen 20 Sekunden lang durchhalten. Und: Nur Wasser allein reicht nicht, weiß Rückle. „Viele Menschen halten die Hände nur kurz unter laufendes Wasser. Das bringt allerdings wenig.“ Übrigens: Der Daumen wird besonders häufig vergessen.
Keimquellen: Selbst das gründlichste Händewaschen machen manche Keimquellen schnell wieder zunichte: Die Türklinke vom Bad ist nach BZgA-Angaben tatsächlich so gefährlich wie ihr Ruf. „Und zwar dann, wenn sich der Vorgänger nicht die Hände gewaschen hat“, erklärt Rückle. Auch die Spültaste der Toilette könne eine Quelle für Erreger sein - etwa wenn jemand anderes eine Magen-Darm-Infektion habe.
Indien: Toilettenpapier verhindert, dass die Finger schmutzig werden. In Indien beispielsweise wird das allerdings gar nicht benutzt: Inder reinigen sich nach dem Toilettengang nämlich mit Wasser und der linken Hand. Bedenklich - oder? „Die Frage der nachträglichen Säuberung ist entscheidend“, sagt Tabori. Nur wenn hinterher Wasser und Seife zum Einsatz kämen, gehe das in Ordnung. Das leuchtende Vorbild sind allerdings auch die Bundesbürger nicht, heißt es bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. „Die Umsetzung des Händewaschens ist in Deutschland noch verbesserungswürdig.“
Händchenhalten: „Für Romantik haben Bakterien nicht so wahnsinnig viel übrig“, sagt der Hygiene-Experte. Aber: „Deswegen sollte man nicht auf Händchenhalten verzichten.“ Wäre Küssen angesichts dreckiger Hände ratsamer? „Mit dem Mund fassen wir seltener etwas Schmutziges an“, räumt Tabori ein. „Zu sagen, dass man deswegen jemanden mit Küsschen begrüßen muss - soweit würde ich nicht gehen.“