Gesundes in Flaschen gepresst - Kleine Mostereien starten Saison
Ahrensboek (dpa) - Kleine Saftpressen schießen in vielen deutschen Regionen wie Pilze aus dem Boden. Mit dem wachsenden Angebot von Verarbeitern lassen immer mehr Verbraucher ihre Gartenfrüchte zu Saft pressen.
So wissen sie genau, was in die Flasche kommt.
Ein irrer Duft von frischen Äpfeln zieht durch die kleine Mosterei Ahrensboek bei Cambs am Schweriner See. Christine Zumstr beobachtet, wie die gelben Früchte ihres 30 Jahre alten Apfelbaums der dänischen Sorte „Filippa“ durch die Presse wandern und naturtrüber Saft in Vakuumbeutel fließt. Knapp 50 Kilogramm Obst brachte sie mit, die ergeben 36 Liter. „Tolle Ausbeute“, sagt die Hobbygärtnerin. Den „Filippa“ habe sie einst geschenkt bekommen, die ganze Familie möge seine milden Früchte.
Mostereigründer Mirko Lunau, promovierter Meeresbiologe, hört laufend solche Apfelbaum-Geschichten von seinen Kunden. Im dritten Jahr betreibe er zusammen mit Hartmut Heldt die Mosterei samt eigenem Bioobstanbau und Imkerei, sagt er zum Start in die neue Apfelsaison. In Mecklenburg-Vorpommern kommen immer mehr kleine Saftpressen und mobile Verarbeiter hinzu. Es gebe einen regelrechten Boom, beobachtet Lunau.
Konkurrenz aber fürchte er nicht. „Mit dem Angebot wächst der Bedarf“, meint der Saftmacher. „Die Leute werden bewusster, viele wollen selbst bestimmen, was sie essen und trinken.“ Dabei habe die Eigenversorgung mit Obst und Fruchtsaft besonders in Ostdeutschland Tradition, weiß er. Nach etlichen Lebensmittelskandalen hätten nun immer mehr Verbraucher die Massenwaren aus dem Supermarkt satt. So ließen Gartenbesitzer wieder öfter die eigenen Früchte verarbeiten.
Dabei schwört Mirko Lunau auf die dezentrale handwerkliche Mosterei. Bei kurzen Transporten kämen die Äpfel quasi vom Baum in die Presse. Der Saft - sortenrein oder gezielt gemischt - werde einmal gefiltert und nur kurz auf 78 Grad erhitzt. Ein Großteil der wertvollen Inhaltsstoffe wie Vitamine, Mineralien und Nährstoffe blieben so erhalten. Eine enorme Vielfalt diverser Geschmacksrichtungen könne erzielt werden. „Saft ist eben nicht gleich Saft“, meint der Moster.
Das Angebot der vielen kleinen Keltereien kommt auch der Landschaftspflege zugute. Laut dem Naturschutzbund Deutschland (Nabu) können seltene Streuobstwiesen nur überleben, wenn die Gärtner das Obst auch verarbeiten. Schätzungen gehen von maximal noch 2000 Hektar Streuobstbeständen in Mecklenburg-Vorpommern und bundesweit von 300 000 Hektar aus.
Bereits seit 1978 besteht die Satower Mosterei bei Rostock. Seit sieben Jahren nimmt das Familienunternehmen seinen Kunden weite Weg ab, indem es mit einer mobilen Mosterei quer durch Norddeutschland tourt. Die moderne Bandpresse kann stündlich eine Tonne Äpfel zu 700 bis 800 Liter Saft verarbeiten, wie Juniorchef Benjamin Peters sagt. „Jeder neue Lebensmittelskandal führt uns neue Kunden zu.“
Auch für Vera Peckermann von der Lohnmosterei Gädebehn bei Neubrandenburg ist die Rückbesinnung auf die Früchte vor der eigenen Haustür echte Geschmackssache. Ab Anfang September rollten die Kleingärtner der Umgebung ihr Obst an, neben vollreifen Äpfeln auch süße Birnen, Beeren und Pflaumen. Die Leute hätten ihre Früchte selbst gehegt und gepflegt, daher wüssten sie am Ende genau, was sie sich zum Trinken ins Glas einschenken.