Gipfeli und Milchkaffee: Frühstück in der Schweiz
Hamburg/Ascona (dpa/tmn) - Das „Müesli“ ist der Frühstücks-Exportschlager der Schweizer schlechthin. Doch die Eidgenossen haben noch mehr zu bieten: Die erste Mahlzeit des Tages kann deftig mit Rösti ausfallen - oder süß mit einem frisch gebackenen Hefezopf.
Ob zum „Zmorge“, „petit déjeuner“ oder „colazione“ - in der deutschen, französischen oder italienischen Schweiz geht am Morgen nichts ohne etwas Süßes. Während das Frühstück bei den Städtern unter der Woche etwas knapper ausfällt, muss es auf der Alm und in den Berghütten vor allem kräftigend sein. Quer durch die Alpenrepublik wird morgens oft ein „Birchermüesli“ gelöffelt. Die Rohkostspeise ist neben Schokolade und Käse einer der kulinarischen Welthits aus der Schweiz.
„Die Unterschiede zum deutschen Frühstück sind eher gering“, sagt Markus Gilgen von Schweiz Tourismus in Hamburg. Die urbanen Schweizer essen am Morgen allerdings weniger Wurst und Käse, dafür aber mehr Konfitüre und Honig. Das schmeckt aber nur mit einem Plunderhörnchen, dem Gipfeli oder Croissant. In Ascona und dem Rest der italienischen Schweiz heißt es Cornetto.
Fast alle Eidgenossen brauchen zum Wachwerden einen Kaffee. „Er muss einfach lecker sein. Nicht wie untertags ein Espresso, sondern es sollte ein schöner Cappuccino mit aufgeschäumter Milch sein“, erzählt Rolf Fliegauf, Küchenchef im Hotel Giardino in Ascona. Was den italophilen Schweizern der Cappuccino ist, mag die restliche Alpenrepublik als Milchkaffee. So mancher lässt sich auch schon morgens eine heiße Ovomaltine schmecken. Der lösliche Malzextrakt gilt als das Schweizer Nationalgetränk.
Brotvielfalt ist auf dem Frühstückstisch nicht so wichtig. Typisch ist ein sogenanntes Hausbrot. „Das ist ähnlich wie ein Graubrot. Es besteht zu zwei Dritteln aus Weizen- und zu einem Drittel aus Roggenmehl“, sagt Alex Kroll, Küchenchef im Widder Hotel in Zürich. Außerdem greifen viele Schweizer morgens zum „Wurzelbrot“, einer Art Baguette. „Die Kruste ist aber etwas fester“, erklärt der Profi.
Sonntags mag kein Schweizer einen frischen Zopf oder eine „Züpfe“, wie er im Bernerdeutsch heißt, missen. Seit 1430 bekannt, wurde das geflochtene Hefegebäck früher vor allem an Weihnachten oder Neujahr verschenkt. Inzwischen gilt der vor dem Backen mit Eigelb bestrichene Butterzopf als das eigentliche Sonntagsbrot der Eidgenossen. Auch die Städter, die meist jeden Sonntag auswärts ausgiebig brunchen, müssen dort keinesfalls auf ihren Zopf verzichten.
In ländlichen Gegenden wird auch unter der Woche reichhaltig gefrühstückt. Bevor es etwa in den Stall oder aufs Feld geht, gibt es ein erstes kurzes Frühstück. „Zum Znüni, zur Zwischenmahlzeit um 9.00 Uhr, kann es dann auch ein Rösti mit Eiern sein“, sagt Gilgen.
Auf dem Berg soll die erste Mahlzeit am Tag ebenfalls für das Tagewerk stärken. Barbara Wäfler bewirtschaftet seit 19 Jahren mit ihrer Familie im Berner Oberland nahe dem Gemmipass die Lämmerenhütte: „Das ist schon ein spezielles Leben hier auf 2500 Meter Höhe“, sagt sie. Keine Bergbahn führt hinauf. Da ist nicht nur für die Bergsteiger und Tourengänger, die in der Hütte übernachten, ein gehaltvolles Frühstück wichtig. Auch Familie Wäfler greift morgens zu Bergkäse und luftgetrockneter Wurst aus der Region.
Und an keinem Morgen fehlt auch hier auf der Höhe ein „Birchermüesli“. Als „Apfeldiätspeise“ erfand es um 1900 der Arzt Maximilian Bircher-Benner am Zürichberg bei Zürich. Mit d'Spys, wie er sie nannte, setzte er seine damals reformerischen Rohkost-Ideen um. Die Ernährung der Alpenhirten, die für den Rohkost-Pionier ein gesundes, naturnahes Leben führten, hatte ihn dazu inspiriert.
Auch wenn das „e“ auf der Strecke blieb, ist dank Bircher-Benner das Wort „Müsli“ weit über die Schweiz hinweg bekannt. Doch vieles, was darunter angeboten wird, hat mit dem Ur-Rezept nichts mehr zu tun. Bircher-Benner nahm für seine Spys Haferflocken, Kondensmilch, Haselnüsse und Äpfel, die er samt Schale und Kerngehäuse hinein raffelte. Auch empfahl er sein Müsli als Frühstück, Abendbrot oder ersten Gang beim Mittagessen - nie jedoch als Nachtisch oder Imbiss. Die Hauptsache war ihm der frische Apfel, nicht die Getreideflocken.
Doch das Ur-Müsli schmeckt heute vielen eher fad. Der Küchenchef Thomas Neeser vom Grand Hotel du Lac in Vevey am Genfer See empfiehlt gezuckerte Kaffeesahne. Zu seinen Zutaten zählen außerdem Haferflocken, Äpfel, Rosinen, Honig, etwas Vollmilch und Haselnüsse. „Wir machen das Müsli am Nachmittag des Vortags, damit es bis zum Morgen durchziehen kann. Dafür reiben wir den Apfel mit der Schale in die gezuckerte Kondensmilch, geben aber noch etwas Vollmilch dazu. Die Konsistenz sollte leicht zähflüssig sein“, erklärt Neeser.
Statt der klassischen Zubereitung mit Kondensmilch nehmen viele Schweizer lieber Vollmilch und Joghurt, manche sogar etwas geschlagene Sahne. Beliebt sind auch klein geschnittene Früchte der Saison. Aber kein Schweizer würde je auf den Apfel und seine Schale verzichten - auf das Kerngehäuse allerdings gern.