Gewalt in Krankenhäusern nimmt zu
Berlin (dpa) - Beschimpfungen, Schubsereien, aber auch Angriffe mit Waffen und Möbeln stehen in deutschen Krankenhäusern auf der Tagesordnung. Betroffen sind vor allem Ärzte und Pfleger in Notaufnahmen, wo häufig alkoholisierte Patienten eintreffen.
„Die Gewaltbereitschaft nimmt zu“, sagte Andrea Stewig-Nitschke vom Deutschen Berufsverband für Pflegekräfte in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Etwa drei von vier Pflegenden hätten Erfahrungen mit Gewalt und Aggressionen durch Patienten und Angehörige.
Oftmals seien die Mitarbeiter auch psychischer Gewalt ausgesetzt. „Patienten drohen, ihnen später aufzulauern und gewalttätig zu werden“, erklärt die Leiterin einer Arbeitsgruppe für Pflegende in der Ersten Hilfe und Notaufnahme. In anderen Fällen werden Ärzte und Pfleger verprügelt, wie etwa vor zwei Jahren in Hamburg-Bergedorf. Dort verletzte ein Patient einen Mitarbeiter der Notaufnahme mit Tritten.
Nach den Angriffen litten viele Betroffene unter körperlichen und seelischen Folgen. „Die Mitarbeiter ziehen sich oft zurück, grenzen sich ab und sind stark verunsichert. Manche leiden unter Schlafstörungen, oft sinkt auch die Arbeitsleistung“, weiß Stewig-Nitschke. Den Krankenhäusern entstünden durch Arbeitsausfälle Kosten. Dennoch gebe es in Deutschland, anders als etwa in den USA und Kanada, noch keine aussagekräftigen Untersuchungen des Problems.
Die Ursachen für die Gewalt liegen laut Stewig-Nitschke nicht nur bei den Patienten, sondern auch in der Organisation der Notfallaufnahmen. Lange Wartezeiten oder mangelnde Informationen über die nächsten Behandlungsschritte steigerten das Konfliktpotenzial. Bereits mit wenigen Schritten ließen sich einige Probleme beheben, erklärt die auf Organisationsstrukturen spezialisierte Betriebswirtin und Krankenschwester: „Es hilft schon, die Stühle in den Warteräumen festzuschrauben, selbstschließende Türen einzubauen und einen Alarmknopf zu installieren“.
Neben Deeskalationsschulungen sei auch eine gute Organisation im Warteraum wichtig. Das sogenannte „Manchester-Triage-System“, bei dem die Patienten strukturiert nach Dringlichkeit eingestuft und behandelt werden, bewähre sich seit 2004 in deutschen Kliniken. Vorreiter im Berliner Raum seien dabei die Charité und die Vivantes-Kliniken. In letzteren gebe es zudem ein eigenes Programm, das Mitarbeiter vor Gewaltsituationen schützen soll.
Bei einem Symposium zum Thema „Gewalt an Personal in Notfallaufnahmen“ an diesem Samstag in Berlin werde ein Vivantes-Vertreter über das Konzept berichten. Experten aus verschiedenen Krankenhäusern wollen außerdem ein klinikübergreifendes Konzept zur Gewaltreduzierung entwickeln. Ein weiteres Ziel ist laut Stewig-Nitschke die Entwicklung eines einheitlichen Meldesystems: „Da jeder Mitarbeiter Gewalt unterschiedlich wahrnimmt, werden nicht alle Vorfälle entsprechend erkannt und registriert, dies erschwert ein strukturiertes Vorgehen.“