Hangeln statt Hanteln - Klettern ist gesundes Krafttraining

Dornbirn/Bad Hindelang (dpa/tmn) - Wie bullige Kraftpakete sehen nur wenige Kletterer aus. Nicht besonders dick sollen ihre Muskeln sein - sondern effizient. Die Belastung ist ausgewogen. Klettern ist ein gesunder Weg, um Kraft aufzubauen und im Alltag fitter zu sein.

Junge Männer mit antrainierter Brust und dickem Bizeps werden gern mal „Disco-Pumper“ genannt. Der Begriff unterstellt, dass diese Herren vor allem die sichtbaren Muskeln aufbauen, um im Tanzlokal ihrer Wahl Eindruck zu schinden. Das einseitige Training ist aber selten gesund. Oft bleibt der Rücken unterentwickelt, es kommt zu Haltungsschäden. Wer Kraft und Fitness auf gesunde Weise steigern will und Fitnessstudios eher grausig findet, für den könnte Klettern eine Alternative sein.

„Klettern ist ein komplexer Kraftsport und kann alle Bereiche der körperlichen Fitness steigern“, sagt der Sportkletterer Jürgen Reis aus Dornbirn in Österreich. Und der ehemalige deutsche Bouldermeister und Kletterweltcup-Sieger Christoph Finkel ergänzt: „Klettern ist eine allumfassende, ganzheitliche Trainingsmethode.“

Wer mit dem Klettern beginnt, wird nach dem ersten Tag in der Halle vor allem seine Unterarme spüren. Klettern trainiert aber auf lange Sicht die gesamte Oberkörpermuskulatur, erläutert Reis. Gesund ist Klettern vor allem deshalb, weil der Sportler immer im Verhältnis zu seinem eigenen Körpergewicht trainiert, wie Finkel erklärt. Der Kletterer bekomme ein gutes Gefühl für seine Muskulatur, aber auch für Koordination und Gleichgewicht. „Das sind alles Faktoren, die Wohlbefinden ausmachen.“

Darüber hinaus ist das Risiko für Überbeanspruchung gering. „Viele Kletterer loten die Grenzen, die ihr Körper erreichen könnte, gar nicht aus“, sagt Finkel. Es sei selten, dass sich Anfänger verletzen. „Wenn sie einen Zug probieren, der zum Beispiel zu einer ausgekugelten Schulter führen könnte, stürzen sie vorher ab.“

Regelmäßige Kletterer haben eine hohe Muskelqualität, wie Reis erklärt. „Es gibt Leute, die sehen zwar irgendwie fit aus, aber einen einarmigen Klimmzug würden Sie denen nicht zutrauen. In Wirklichkeit machen die aber fünf davon.“ Die Muskelfasern seien gut austrainiert. „Kletterer bauen nicht sinnlos Masse auf, sondern arbeiten effektiv mit ihren Muskeln“, sagt Finkel. „Bodybuilder haben oft wenig Kraft bei viel Masse - beim Klettern ist es genau andersherum.“

Gerade die Stärkung des Oberkörpers macht Klettern zu einem guten Ausgleich für andere Freizeitsportarten. „Die Belastungen beim Klettern sind immer harmonisch, immer im Fluss und nicht ruckartig“, sagt Finkel. Das Training hilft vor allem, um Verletzungen durch eher einseitige Bewegungen wie beim Tennis vorzubeugen.

Wer mit dem Klettern beginnen möchte, sollte sich zunächst überlegen, ob er nur bouldern oder richtig mit Seil klettern will. Beim Bouldern klettert der Sportler nur in Absprunghöhe. „Damit kann jeder sofort loslegen“, sagt Andreas Bucher vom Deutschen Alpenverein (DAV) in München. „Als Ausrüstung braucht es nur Schuhe und einen Magnesiabeutel.“ Die kreideartige Substanz dient dazu, dass die Finger nicht schwitzig werden und der Sportler abrutscht.

Für das Klettern mit Seil ist ein Sicherungskurs nötig, den der Sportler üblicherweise in einer Kletterhalle absolviert. Außerdem braucht er einen Gurt, einen Schraubkarabiner und ein Sicherungsgerät. Die Ausrüstung kann er sich für den Grundkurs aber in der Regel erst einmal leihen.

Wer seine Indoor-Fähigkeiten dann weiter steigern will, brauche keine zusätzliche Ausbildung, erklärt Bucher. Wer allerdings auch an natürlichen Felsen klettern möchte, sollte entsprechende Kurse besuchen. „Draußen ist doch einiges anders und schwieriger als drinnen.“ Es sei dann hilfreich, sich gleichwertige Kletterpartner zu suchen, um sich gemeinsam weiterzuentwickeln.