In Deutschland nur auf Rezept - „Pille danach“ schnell einnehmen

Köln (dpa/tmn) - Die „Pille danach“ gibt es in Deutschland nur auf Rezept. Und das, obwohl sie am besten wirkt, wenn sie schnell nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen wird. Frauenärzte plädieren jedoch für eine Beratung vor der Einnahme.

Wenn das Kondom reißt oder die Pille vergessen wurde, ist die „Pille danach“ oft die letzte Rettung vor einer unerwünschten Schwangerschaft. Anders als in vielen anderen europäischen Ländern, wo es die Notfallverhütung einfach in der Apotheke zu kaufen gibt, benötigen Frauen in Deutschland ein Rezept für das Medikament. Das kostet oft Zeit, wertvolle Zeit. Denn die „Pille danach“ wirkt laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Köln umso besser, je schneller eine Frau sie nach dem Geschlechtsverkehr einnimmt.

Derzeit sind in Deutschland zwei Wirkstoffe zugelassen: Levonorgestrel (LNG) und Ulipristalacetat (UPA). Mit beiden Wirkstoffen gilt die „Pille danach“ als Verhütungsmittel, weil sie keine Abtreibung bewirkt, sondern lediglich den Eisprung verzögert oder unterdrückt. Daher können Spermien, die nach dem Sex eine maximale Überlebenszeit von drei bis fünf Tagen im Körper einer Frau haben, die Eizelle nicht befruchten - eine Schwangerschaft bleibt aus. Wurde die Eizelle jedoch befruchtet und hat sie sich bereits in der Gebärmutter eingenistet, wirkt das Notfallmedikament nicht mehr.

Die „Pille danach“ mit dem Wirkstoff LNG verhindert laut BZgA mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Schwangerschaft, wenn sie spätestens 72 Stunden, also drei Tage nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen wird. Bei der neueren „Pille danach“ mit dem Wirkstoff UPA dürfen nicht mehr als 120 Stunden, also fünf Tage vergehen. Beide Mittel sollten immer so schnell wie möglich nach dem Sex genommen werden, weil die Wirksamkeit mit der Zeit sinkt. So verhindert die „Pille danach“ mit dem Wirkstoff LNG 24 Stunden nach dem Sex noch zu 95 Prozent eine ungewollte Schwangerschaft. Am dritten Tag, also 48 bis 72 Stunden danach, nur noch zu 58 Prozent, wie die BZgA angibt.

Die Kosten für die „Pille danach“ werden bis zum 20. Geburtstag von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Ab 18 Jahren kann eine Zuzahlung anfallen. Mit dem 20. Geburtstag müssen betroffene Frauen die Kosten in jedem Fall selbst übernehmen. Tanja Meier* aus Hamburg kennt die Probleme mit der „Pille danach“: Nachdem sie vergessen hatte, die reguläre Pille einzunehmen, riss beim Sex auch noch das Kondom - ausgerechnet an einem Sonntag. Sofort fuhr die damals 22-Jährige mit ihrem Freund ins Krankenhaus.

Um betroffenen Frauen den Weg zum Arzt oder ins Krankenhaus zu ersparen und so eine schnellere Einnahme der „Pille danach“ zu ermöglichen, drängt die Organisation pro familia auf eine Rezeptfreiheit für die „Pille danach“ in Deutschland. Der Berufsverbands der Frauenärzte (BVF) hält dagegen: Eine ärztliche Beratung vorab sei dringend nötig, um mögliche Risiken auszuschließen.

Beim Streit um die Rezeptfreiheit für die „Pille danach“ geht es ausschließlich um den Wirkstoff LNG. In 28 europäischen Ländern können Frauen laut pro familia diese „Pille danach“ ohne Rezept bekommen. UPA hingegen ist europaweit rezeptpflichtig. Der Hintergrund: Der Wirkstoff kann in seltenen Fällen Einfluss auf eine bestehende Schwangerschaft haben. „Eine ärztliche Beratung ist wichtig, um zu beurteilen, ob die Pille danach überhaupt gegeben werden kann und welche Risiken es gibt“, sagt BVF-Präsident Christian Albring.

Tanja wurde im Krankenhaus nicht von der Frauenärztin untersucht. Ihr wurden auch keine Fragen gestellt. Sie musste nur schildern, was passiert war. Die Ärztin zeigte sich verständnisvoll und stellte ihr das Rezept aus. „Wozu hätte ich mich denn auch untersuchen oder lange beraten lassen sollen? Ich wollte doch nur ein Rezept haben“, erzählt Tanja.

Genauso sieht es pro familia, zumindest bezüglich des Wirkstoffes LNG. „Levonorgestrel wurde weltweit schon millionenfach genutzt, und es gab bisher keine schwerwiegenden Komplikationen“, argumentiert die Frauenärztin Ines Thonke vom pro-familia-Bundesverband. Besonders in strukturschwachen Gegenden von Deutschland sei es für Frauen schwierig, rechtzeitig an ein Rezept zu kommen.

* Der Name wurde von der Redaktion geändert.