Harzer Erfolgsgeschichte: Wein vom Königstein
Westerhausen (dpa) - Wein aus dem Harz? Gibt es. Ein Ex-Vermessungstechniker hat sich dort zum Gourmet-Winzer gemausert. Seit 20 Jahren ist er im Geschäft. Ein Mann, der aus sieben Rebsorten auf drei Hektar alles herausholt - auch die eigene Glückseligkeit.
„Mein Lieblingswein?“ Matthias Kirmann stutzt kurz. „Immer der, der offen ist“, sagt er dann - und lacht laut und lange. Schon hundertfach hat man ihm diese Frage gestellt. „Das muss man einen Winzer wohl immer fragen“, sagt Kirmann, der aber eigentlich lieber über Lagen, Zuckergehalt und Qualitätskriterien spricht. Dabei sitzt er lässig auf einer Holzbank. Auf seinem Kopf kringeln sich kleine Locken, die Augen leuchten wach.
Hinter ihm hängt ein fast vier Meter langes Ölgemälde, das den Königstein und viele Reben zeigt. Dort hat Kirmann einen seiner drei Weinberge. Der einzige Winzer im Harz wirtschaftet auf 3,2 Hektar - und bringt dabei so edle Tropfen in die Flasche, dass nicht nur der Gourmet-Führer „Gault Millau“ voll des Lobes ist. In diesem Jahr feiert das Weingut 20-jähriges Bestehen.
Kirmann ist ein Seiteneinsteiger. Einer, der es vom motivierten Freizeitwinzer zu einem angesehenen Weinbauern geschafft hat. „Ich habe ja als junger Bengel schon Obstweine gemacht“, sagt der 49-Jährige, der sein Weingut auf dem elterlichen Hof in Westerhausen betreibt. Dort ist er groß geworden, in den Bach gefallen, hat sich ein Bein gebrochen und Freundschaften gepflegt. „Ich arbeite jetzt voll und ganz innerhalb meiner Grenzen“, sagt er. Und die hat er sich in einem Umkreis von weniger als acht Kilometern gesteckt. Dort befinden sich seine Rebflächen, die weingeografisch zum Weinbaugebiet Saale-Unstrut gehören.
1989 hat alles angefangen. Da kaufte der gelernte Vermessungstechniker Kirmann 400 Reben für 1,60 D-Mark pro Stück von der Winzervereinigung. „Natürlich kann man Reben auch an die Scheunenwand pflanzen. Aber man kann auch gleich in die Vollen gehen“, sagt der zweifache Vater. Am Westerhäuser Königstein, einem 190 Meter hoher Hügel im Harzvorland, startete er auf einer alten Obstplantage durch. Zuerst produzierte er nur für den Eigenbedarf, 1993 gingen die ersten überschüssigen Trauben an die Winzervereinigung. „Das tat mir weh“, sagt er heute, und beschließt, lieber selbst zu keltern und den Wein zu verkaufen.
Während sein Engagement für das 1995 eröffnete „Harzer Weingut Kirmann“ wächst, lässt das für seine Arbeit in der Vermessung nach. „Mir ist immer wieder die Frage gekommen: Bleibe ich dabei?“ Kirmann hadert - und schmeißt schließlich 1999 hin. Er tauscht Flurstückgrenzen gegen Weinhänge und Koordinaten gegen Weiß- und Spätburgunder, Müller-Thurgau, Dornfelder, Traminer, Riesling und Cabernet Mitos. Er investiert in das Gut und stellt eine ebenso ambitionierte wie einfache Regel auf: „Von den Brot- und Butterweinen Dornfelder, Müller-Thurgau und Weißburgunder leben wir, mit dem Rest spiele ich.“
Und das offenbar so gut, dass der „Gault Millau“ über Kirmanns Weine schrieb: „Die Weine sind sehr dicht, gerade Riesling und Traminer zeigen Kraft, aber auch duftige Finesse.“ 2014, ein wegen des Wetters schlechtes Jahr für Kirmann, hat er rund 10 000 Flaschen produziert. „Die Kirschessigfliegen haben zwei Drittel des Dornfelders zerstört, zusätzlich zum zu feuchten und zu warmen Sommer“, sagt der Harzer Winzer. In guten Jahren bringt er es etwa auf die doppelte Menge Wein, der vor allem bei Genießern in Süddeutschland hoch im Kurs steht.
„Ich habe viele Stammkunden und ich würde ihnen niemals die Menge kürzen, nur um in Supermärkten im Regal zu stehen.“ Mit seinem Familienbetrieb und der winzigen Anbaufläche könnte Kirmann auch gar keinen größeren Bedarf decken - und will es nicht.