Homöopathie: Glaube an die Kügelchen
Kritiker bezeichnen Homöopathie als Scheinmedizin. Ihre Argumente.
Düsseldorf. An dieser Debatte können Freundschaften zerbrechen. Viele Menschen setzen auf alternative Naturheilverfahren. Aber was ist dran an der Homöopathie, dem Flaggschiff der Alternativmedizin? Nichts, sagen Kritiker.
Die Verdünnung ist so stark, dass schon ab dem ersten „Dynamisationsgrad“ keine nennenswerte Menge der Ausgangssubstanz mehr übrig sei, sagen etwa die Wissenschaftsjournalisten und Buchautoren Christian Weymayr und Nicole Heißmann. Dazu kommt das Schütteln und Verreiben der Substanz auf spezielle Art, das „geistartige Heilkräfte“ freisetzen soll. Solche Kräfte liegen außerhalb aller beweisbaren Wissenschaft, und das Verdünnungsmittel Wasser kann solche (oder andere) Informationen auch nicht speichern.
Als Samuel Hahnemann, geboren 1755, im Jahr 1810 erstmals seine Heilslehre aufschrieb, glaubte die Medizin noch an einen Lebensgeist oder eine Lebenskraft, unverzichtbar für Empfindungen. Von Körperzellen, Viren, Bakterien oder einem Immunsystem wusste man nichts. Man glaubte, Kranke reinigen zu müssen, durch Aderlässe, erzwungenen Durchfall und Erbrechen. Wunden brannte man mit kochendem Öl aus. Gegen diese brachialen Methoden wandte sich Hahnemann und suchte nach neuen Heilmethoden. Seine Theorie, Ähnliches mit Ähnlichem zu heilen, ist nach Ansicht vieler Experten in der Wissenschaft widerlegt.
Dem häufig vorgebrachten Argument vieler Nutzer aus ihrer eigenen Erfahrung, die Kügelchen wirkten, halten Heißmann und Weymayr als Umweltmedizinerin und Biologe entgegen: „Wenn mit der Einnahme eines Mittels eine Besserung eintritt, heißt das nicht, dass sie wegen der Einnahme eintritt.“ Kausalität muss in der Wissenschaft vielmehr in großen, aufwendigen Studien mit sehr vielen Patienten untersucht werden.
Der scheinbare Heilungserfolg, auf den sich viele Kügelchen-Anwender berufen, rührt nach Einschätzung der Kritiker von dem Umstand, dass meist leichte Krankheiten oder Wehwehchen mit Globuli behandelt werden. Ein Schnupfen, eine Magenverstimmung, das heilt der Körper oft von allein. Dafür braucht er Zeit, und die gibt ihm Hahnemanns Lehre.
Obwohl die verwendeten Substanzen teilweise kritisch bis giftig sind (z. B. Pulsatilla), gilt die Homöopathie als sanfte, natürliche Medizin. Auf dieser Welle segelt sie erfolgreich, nach Ansicht des österreichischen Autors und Arztes Theodor Much wegen effektiver Lobbyarbeit.
Die Homöopathie ist das Flaggschiff der Alternativmedizin. Jedes Jahr werden mit homöopathischen Mitteln mehrere hundert Millionen Euro Umsatz gemacht. Viele Ärzte und Apotheker bieten Globuli an, weil Patienten danach fragen, viele Kassen erstatten homöopathische Behandlungen — laut Heißmann und Weymayr nicht, weil sie vom Nutzen überzeugt sind, sondern weil die Methode bei den Kunden beliebt ist.
Ein positiver Knackpunkt ist die intensive Zuwendung des homöopathischen Arztes. Das „Drumherum“ sei der Placebo-Effekt, schreiben die Experten. Nur: Sie wird auch gut bezahlt. Für eine Stunde Erstanamnese kann ein Homöopath je nach Aufwand zwischen 52 und 183 Euro abrechnen. So steht es in der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), das bezahlt also die Gemeinschaft im Gesundheitssystem. Einem „normalen“ Mediziner gesteht die GOÄ nur zehn Minuten für Beratung zu, honoriert mit 8,74, im Höchstfall 30 Euro.