Keine Angst vor großen Spinnen
Therapie Um sein Unbehagen zu überwinden, hilft es, die Tiere genau zu studieren.
Düsseldorf. Eine dicke, dunkle Hausspinne krabbelt im Sauseschritt quer durch mein Wohnzimmer - der pure Horror! Wie bekomme ich die Spinne aus meiner Wohnung? Schnell habe ich den Sauger zur Hand, doch die Spinne ist schneller und hat sich hinter den Schrank retten können. Ein mulmiges Gefühl überkommt mich. Angst steigt in mir hoch. Bestimmt wird sie heute Abend zu mir ins Bett kriechen, mich sogar beißen. Meine Gedanken kreisen jetzt nur noch um diese Spinne, die sich in meiner Wohnung offenbar breit machen will.
Ortswechsel: Dr. Stephan Loksa (53) ist Arachnologe und seit 1988 freier Mitarbeiter im Aquazoo Düsseldorf. Er züchtet und arbeitet wissenschaftlich mit Spinnentieren und bietet Spinnentherapien an. In einem Anflug von Leichtsinn habe ich mich auf ein Abenteuer namens Spinnentherapie eingelassen.
Heute Nachmittag kommt Loksa zu mir. Als es schellt, ist es um mich geschehen, der Spinnenmann steht in der Türe, er hat eine blaue Kühltasche in der Hand. Ich bin wie versteinert und gleichzeitig gespannt wie ein Flitzebogen. Zunächst setzt sich Loksa und beginnt zu erzählen - die blaue Kühltasche auf dem Tisch lasse ich dabei allerdings keine Sekunde aus dem Blick. "Es hängt von Ihnen ab, wie lange es dauert, bis ich wieder gehe. Solange Ihre Gefühle dominieren, geht wenig. Lassen Sie Ihr Gehirn arbeiten und halten Sie Ihre Instinkte zurück", versucht Loksa an meine Intelligenz zu appellieren und beruhigt zugleich: "Das wird keine Schocktherapie!". Er versucht mein Vertrauen zu gewinnen und fährt fort: 35000 verschiedene Spinnenarten seien auf der ganzen Welt bislang bekannt, aber tatsächlich wären es wohl über 100000. Spinnen seien im bestehenden Öko-System eminent wichtig. "Die Natur bräche zusammen, wenn es keine Spinnen mehr gäbe, innerhalb von sechs Monaten hätten die Insekten alles aufgefressen, nach einem Jahr wären alle Menschen verhungert", malt Loksa ein nahezu unvorstellbares Szenario.
Lebensbedrohlich giftig seien übrigens nur zwei Dutzend Arten auf der ganzen Welt. Dann holt Loksa zunächst Fotos mit Spinnen aus seiner Tasche. Als ich mich wenig grusele, packt er zügig seine in Kunstharz gegossenen Präparate aus - auch eine Tarantel ist dabei. Meine Angst weicht zunehmend dem Interesse. Ich beginne, mich mit den Spinnen zu befassen. Warum ich so eine Angst vor Spinnen habe? Loksa hat eine verblüffende Antwort parat: Es ist der Bewegungsapparat der Tiere. Sie setzen ihre Beine so schnell voreinander, dass das menschliche Auge die einzelnen Schritte nicht verfolgen kann. Was ich dagegen tun kann? "Geben Sie jeder Spinne, der Sie begegnen, einen Namen!", rät der Fachmann. Ich bin fasziniert, bis zu dem Moment, als Loksa die Kühltasche öffnet. In einer durchsichtigen Dose holt er nun seine kleinen achtbeinigen Freunde raus. Nacheinander kommen so kleine Zitterspinnen, Gartenkreuzspinnen, eine Tarantel und sogar eine hochgiftige Schwarze Witwe ans Tageslicht.
Ich lasse mich zunächst überreden, die Zitterspinnen (natürlich im Behältnis) mit ihren langen Beinen und kleinen Körpern aus der Nähe zu betrachten. Und da sie mir ja in ihrer fest zugeklebten Dose nichts tun können, nehme ich schließlich sogar Tarantel und Schwarze Witwe in die Hand. Als ich glaube, das schlimmste überstanden zu haben, werde ich eines Besseren belehrt. Die Königsdisziplin steht noch aus: Loksa holt Clara heraus. Eine dicke, fette, braun-schwarz behaarte Vogelspinne. Und nach Ankündigung holt er Clara sogar aus der Plastik-Dose und setzt sie mitten auf den Tisch. Sie bewegt sich nicht, was für mich eine extreme Erleichterung darstellt. Dann nimmt Loksa Clara auf die Hand. Ich bin jetzt so fasziniert, dass ich sogar einwillige, als Loksa mir Clara auf meinen Handrücken setzt. Ein unbeschreibliches Gefühl, und ich bin mächtig stolz, meine Angst überwunden zu haben.