Forschung Lebensmut und Freunde sorgen für gutes Leben im Alter

Nürnberg (dpa) - Nicht unbedingt gesund, aber dafür munter - so fühlen sich viele Menschen über 90 Jahre, die ein noch weitgehend selbstbestimmtes Leben führen. Einer aktuellen Studie zufolge sind sie häufig sogar glücklicher als 70-Jährige.

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Eine positive Lebenseinstellung, enge soziale Beziehungen und tägliche Bewegung seien die wichtigsten Zutaten für Zufriedenheit im Alter, berichten die Altersforscher der Universität Erlangen-Nürnberg. Selbst Krankheiten trübten das Wohlbefinden dann wenig.

Den Angaben der Wissenschaftler zufolge sind deutschlandweit etwa 718 000 Frauen und Männer 90 Jahre oder älter. In Bayern sind es etwa 107 000. Zwei Drittel von ihnen lebten zu Hause, nur ein Drittel in betreuten Einrichtungen. Das Team um Frieder Lang befragte für seine Untersuchung „Leben in der zehnten Dekade“ nun 125 Männer und Frauen aus Nürnberg, die 90 Jahre oder älter sind und noch in den eigenen vier Wänden leben. Zudem machten die Wissenschaftler einfache körperliche und kognitive Tests mit ihnen.

„Wir wollten feststellen: Sind diese Menschen besonders gesund, wohlhabend oder gebildet?“, sagte Lang zu den Zielen der Studie. „Das sind Fragen, die immer wieder in der Literatur oder der öffentlichen Debatte auftauchen“.

Tatsächlich war das Alter eine der wenigen Gemeinsamkeiten der Befragten, in vielen Dingen unterschieden sie sich erheblich. So hatten etwa 60 Prozent einen Haupt- oder Realschulabschluss, 26 Prozent einen Hochschulabschluss. Einige wohnten zur Miete, andere im eigenen Haus. Und die Befragten kamen sowohl aus besseren als auch aus schlechteren Vierteln der Stadt.

Die ein oder andere Krankheit plagte den Großteil der Studienteilnehmer: Im Schnitt nahmen sie sechs verschiedene Medikamente ein. „Zwei Drittel der Teilnehmer haben mehr als fünf Diagnosen“, sagt Lang - meist handelt es sich um Herz-Kreislauf-, Krebs- oder Atemwegserkrankungen oder Bewegungseinschränkungen.

Trotz ihrer Erkrankungen fühlten sich die Probanden überraschend gesund, zeigte die Befragung: Obwohl sie häufiger gesundheitliche Beschwerden haben als Jüngere, sind sie überdurchschnittlich lebensfroh und optimistisch, sagt Lang. „Sie zeigen ganz besondere Kräfte und Stärken. Deswegen haben wir sie „muntere 90-Jährige“ genannt - sie sind nicht gesund, aber munter.“

Die Studienteilnehmer waren im Schnitt 92 Jahre alt, fühlten sich im Schnitt aber nur wie 72, sagt Lang. Etwa die Hälfte der Über-90-Jährigen antwortete auf die Frage „Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Leben?“: „Völlig“. Bei Menschen zwischen 70 und 90 Jahren sagten das nur halb so viele. Und die meisten Alten wollen sogar noch älter werden: Drei Viertel sagten, wenn es ihnen weiter so gehe wie bisher, würden sie gerne noch weitere drei bis fünf Jahre leben.

Zum Vergleich zogen die Forscher Daten aus dem Alterssurvey des Deutschen Zentrums für Altersfragen, dem sozioökonomischen Panel des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und der Generali Altersstudie heran. Meist gebe es jedoch nur Daten über jüngere Altersgruppen. Zu Menschen über 90, die nicht akut medizinisch behandelt werden, gebe es bislang keine Vergleichsdaten, sagt Lang. Dabei werde diese Gruppe in der Gesellschaft immer größer.

Was die munteren Alten eint: Fast 80 Prozent von ihnen gehen jeden Tag mindestens 30 Minuten einer körperlichen Aktivität nach. Und 90 Prozent nennen einen Menschen, der ihnen wichtig ist, Freude bereitet und mit dem sie eine enge Beziehung haben. Außerdem achten sie auf eine ausgewogene Ernährung, genug zu Trinken - und bei Alkohol und Zigaretten auf den Grundsatz: Alles nur in Maßen.

Viele Menschen hätten Angst vor dem sehr hohen Alter, sagt Lang. Sie verbänden es mit Schmerzen und seien der Meinung, das sei nicht mehr lebenswert. „Dabei ist es immer ein Leben - auch wenn es schwer ist. Die munteren 90-Jährigen geben uns Mut und Zuversicht für das Alter.“

Ob man im Alter gut und glücklich leben könne, habe mit viel mehr zu tun als mit Erkrankungen, sagt Lang. „Der subjektive Lebenswille ist viel wichtiger als die Frage, ob man eine Arthrose hat.“ Durch seine Untersuchungen habe er immer wieder gelernt: Der Verlust des Lebenswillens sei oft der Vorbote des Todes. Daher sei es nie zu spät, das zu tun, was einem zu mehr Lebenswillen verhilft.