Leckere Insekten brutzeln in Kambodscha
Phnom Penh (dpa) - Wenn die erste Grille mit ihren zarten Flügeln im siedenden Fett landet, zischt es laut. Bei 15, 20 Insekten schäumt das Öl dann richtig auf. Sokha, der Koch, ruckelt den Wok, damit nichts anbrennt.
Nach ein paar Minuten fischt er die Viecher mit einer Schöpfkelle aus dem Öl. Gut abgetropft landen sie in einer Schüssel. Dies ist Sokhas Spezialität: Der Kambodschaner brutzelt an seinem Straßenstand in der Hauptstadt Phnom Penh frittierte Insekten.
Entomophagie wird immer wichtiger, sagt die Welternährungsorganisation FAO. Ento... was? „Unter Entomophagie versteht man den Verzehr von Insekten durch Menschen“, klärt die Organisation auf. „Sie sind nahrhaft mit hohen Protein-, Fett- und Mineralstoffgehalten.“
Die Kambodschaner wissen das längst. Käfer, Würmer, Grillen gehören in dem bitterarmen Land in Südostasien zur Speisekarte wie hierzulande täglich Brot, und Sokha hat sie alle im Angebot. Er zeigt Besuchern gerne seine Tricks zur schmackhaften Zubereitung.
Vor dem Frittieren massiert er die kleinen Körper erst mit Salz, Zucker, Chili und Knoblauch ein, dann kommt „Umami“ drüber. Das ist kein exotisches Gewürz aus kambodschanischer Tradition, sondern schlicht ein Geschmacksverstärker. Über das Ganze stäubt er Mehl und dann ab in den Wok.
Es gibt immer mehr Menschen auf der Welt. Die FAO sorgt sich, wie alle satt werden sollen. Deshalb hat sie ein eigenes „Programm für Essbare Insekten“. Der Name ist etwas irreführend, denn die Experten untersuchen dort auch Spinnen und Skorpione auf ihre Nahrhaftigkeit.
Sie legen keine Rezepte für „Grille süß-sauer“ oder „Borkenkäfer im Salzmantel“ vor. Sie reden mehr von Futterverwertungseffizienz, Ballaststoffen und ungesättigten Fettsäuren. Aber auch dies: „Schweine zum Beispiel produzieren 10-100 Mal mehr Treibhausgase per Kilogramm Körpermasse als Mehlwürmer.“
Sokha hat's mehr mit Grillen. „Das ist das Populärste“, sagt er, vor allem die wilde Sorte. Die zu fangen ist für die Bauern eine Leichtigkeit: sie hängen eine durchsichtige Plastikfolie in den Baum und dahinter eine Leuchtstoffröhre.
Die Grillen fliegen zum Licht, knallen mit dem Kopf vor die Folie, und stürzen ab - kopfüber in eine darunter stehende Wanne mit Wasser. Wer nicht ertrinkt wird schockgefroren. Die Wanne ist eisgekühlt - Grillen sind zwar Kaltblüter, aber das überleben sie nicht.
Plastikfolie, Leuchtstoffröhre, Wasserwanne - das ist einer der Vorteile, wie die FAO herausstellt: „Minimaler technischer oder finanzieller Aufwand ist für die grundlegende Ausstattung für Ernte und Zucht erforderlich.“
In Kambodscha glauben viele, dass Insekten erst seit den verheerenden Hungersnöten unter dem Schreckensregime der Roten Khmer in den 1970er Jahren verzehrt werden. Stimmt nicht, sagt Kim Hor, die in Phnom Penh das bekannte „Spider“-Restaurant führt und allerlei Gerichte mit Spinnen und anderem Geziefer im Angebot hat.
„Wir haben hier schon immer Insekten gegessen“ sagt sie. „Vor den Roten Khmer auch Schlangen, aber die sind derart gejagt worden, dass es nicht mehr so viele gibt. Deshalb sind Insekten und Spinnen jetzt populärer.“ Das weiß auch die FAO: „Bestimmte Insektenarten wie die Mopanewürmer im südlichen Afrika und Eier der Weberameise in Südostasien ... werden als Delikatessen angesehen.“
Zwei Milliarden Menschen essen nach Angaben der FAO weltweit Insekten. „Aber in den westlichen Ländern sind die Verbraucher skeptisch. Ob kreatives Marketing daran etwas ändern kann?“ Inzwischen gibt es Snacktüten mit Grillen, Senf-Honig-Geschmack, Käsekuchen mit Karamell-Grillen, Pfannkuchen aus Mückeneiern. Ob Verzagten dabei das Wasser im Munde zusammenläuft?
Zeit zum Probieren. Die Grillen sind knusprig und erinnern an den Erdgeschmack von Pilzen. Gar nicht schlecht. Sokha tischt zum Vergleich ein paar Käfer und Seidenwürmer auf. Der Panzer macht die Käfer noch knackiger als die Grillen, die Würmer schmecken wie fleischiger Mais. Grillen sind wirklich der Hit. „Sie schmecken hervorragend mit Bier“, sagt Sokha. Unbedingt. Ein guter Plan.