„Linda“ macht „Bafana“ Platz: Kartoffeln sollen trendy werden

Hannover (dpa) - Auf Europas größter Kartoffel-Fachmesse PotatoEurope geht es um: Kartoffeln, klar. Und um Imagesorgen: Denn der Absatz lahmt. Der einstige Darling der deutschen Küche leidet unter neuen Esstrends.

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Das soll sich ändern.

Nord-Süd-Gefälle in Kartoffel-Deutschland: „Der Norden liebt es eher fest, der Süden eher mehlig“, sagt Martin Umhau. Als Präsident der Union der deutschen Kartoffelwirtschaft weiß er natürlich auch, warum: „Die Norddeutschen mögen Bratkartoffeln und Kartoffelsalate, die Süddeutschen Knödel oder Brei.“

Zum Auftakt von Europas größter Kartoffelmesse verweist das Vorstandsmitglied der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) aber auch auf einen anderen Trend, der die Branche seit Jahren umtreibt: den sinkenden Absatz von Speisekartoffeln in der Bundesrepublik.

Vor allem bei jungen Leuten leidet das Image der einst beliebtesten Knolle der Deutschen - nicht nur wegen des mittlerweile widerlegten Images als Dickmacher. Im Schnitt verzehrt ein Deutscher pro Jahr gerade mal 60 Kilogramm - vor einigen Jahren lag der Wert noch doppelt so hoch. „Das Zusammenleben in der Familie hat sich geändert, es gibt geänderte Essgewohnheiten“, sagt Dieter Tepel vom Deutschen Kartoffelhandelsverband (DKHV). Nicht die Zielgruppe ab 55 Jahren ist das Problem, sondern die Altersgruppen darunter. Der Verband klärt seit neuestem Kinder in Schulen darüber auf, dass Pommes Frites nicht in dieser Form auf dem Acker wachsen.

Bei der alle vier Jahre auf einem Acker nahe dem Rittergut Bockerode stattfindenden Spezialmesse tummeln sich Besucher aus ganz Europa, aber auch aus Asien und Afrika. Olufumi John Awodola etwa baut in seiner nigerianischen Heimat mit einem holländischen Partner Kartoffeln an. Die Messe mit 220 Ausstellern aus 13 Ländern wird im Wechsel in Frankreich, Belgien oder den Niederlanden ausgerichtet. Und hat auch einen praktischen Aspekt: „Hier haben wir die Möglichkeit, die Maschinen im Einsatz zu testen“, sagt Karel Decramer vom belgischen Landmaschinenhersteller Dewulf.

„Wir müssen das Bewusstsein dafür schärfen, dass die Kartoffel in ihrer ursprünglichen Form gesund ist, dass die Kartoffel jung und trendy ist“, sagt Tepel. Die Branche hat längst reagiert. „Wir haben eine enorme Vielfalt an Kartoffelprodukten in der Ernährungsindustrie geschaffen; damit ist es uns auch gelungen, den Konsumrückgang bei der Speisekartoffel aufzufangen“, erklärt Umhau. Auch die Vielfalt der Sorten nahm zu. Mittlerweile gibt es nach Verbandsangaben rund 400 verschiedene Kartoffelsorten in Deutschland - auch wenn der Markt von weniger als zwei Dutzend davon dominiert wird.

„"Linda" ist nach wie vor da, aber sie wird zunehmend abgelöst von anderen Sorten“, sagt Jörg Renatus vom Lüneburger Saatgutspezialisten Europlant. Die beliebtesten Sorten heißen heute „Belana“, „Regina“, „Allians“, „Venetia“, aber auch „Bafana“ oder „Concordia“ sind im Kommen. Warum Kartoffeln so oft Frauennamen erhalten? „Weil Kartoffeln genauso kapriziös sind wie Frauen“, meint Renatus augenzwinkernd. Allerdings setzten sich international zunehmend auch Trendnamen wie „Sunshine“, „Bellarosa“, „Champion“, „Chérie“ oder selbst „up-to-date“ durch.

Nicht nur die Kartoffel soll wieder mehr unter die Leute gebracht werden, einen besonderen Nutznießer der Messe gibt es auch: Friedrich Henkels, der Eigentümer des bei Hannover gelegenen Ritterguts. Dieser stellte seinen Acker erstmals 2006 zur Verfügung. „Es war nicht nur eine Herausforderung, sondern auch ein Privileg“, sagt er - und ergänzt: „Zudem habe ich dadurch einen enormen Wissensvorsprung: Ich weiß danach genau, welche neuen Maschinen für meine Böden geeignet sind.“