Mediziner: Bei Rückenschmerzen sind die Patienten gefordert
Leipzig (dpa) - Rückenschmerzen sind eine Volkskrankheit. Ein Leipziger Wirbelsäulenmediziner sagt, dass viele Patienten damit zu passiv umgehen. Am OP-Tisch lasse sich nicht alles richten.
Kaum ein Mensch kommt in seinem Leben an einem Rückenleiden vorbei. Manchmal haben die Probleme eine Ursache, die man mit einer Operation beseitigen kann. Doch der Leipziger Wirbelsäulenspezialist Prof. Christoph Josten warnt davor, Operationen als Allheilmittel zu sehen. Bei unspezifischen Beschwerden seien die Patienten gefordert.
Wie viele Menschen kennen Sie, die noch nie in ihrem Leben über Rückenschmerzen geklagt haben?
Josten: Es gibt kaum einen Menschen, der nicht schon einmal einen Rückenschmerz verspürt hat. Ausnahmen sind vielleicht die ganz Jungen. Aber es gibt auch schon Unter-20-Jährige, die über erhebliche Wirbelsäulenbeschwerden klagen.
Was sind die häufigsten Ursachen für Rückenleiden?
Josten: Es sind häufig multifaktorielle Ursachen, ohne dass man dann ein Substrat findet. Also: Patienten haben Bewegungsarmut, schwache Muskulatur, eine anlagemäßige leichte Fehlformierung, Übergewicht, üben einseitige Tätigkeiten aus, treiben bestimmte Sportarten. Das kann in der Summe zu Wirbelsäulenbeschwerden führen, ohne dass man etwas in der uns gängigen Diagnostik sieht, also durch Röntgen oder Kernspinuntersuchungen feststellen kann.
Wie kann diesen Patienten geholfen werden, wenn die Auslöser so schwer zu bestimmen sind?
Josten: An sich ist ein unspezifischer Rückenschmerz von vornherein eine nichtoperative Indikation. Wir können diesen Schmerzen kein Spezifikum zuweisen - und das schließt eine Operation aus.
Das heißt, bei viele Rückenpatienten sollte man gar nicht erst an eine OP denken?
Josten: Ja, eine konservative Therapie sollte das Mittel der Wahl sein. Der unspezifische Rückenschmerz ist eine Zivilisationskrankheit. Wir pflegen unsere Wirbelsäule nicht genug. Pflegen ist eine aktive Maßnahme. Und das wird leider in unserer Gesellschaft ein bisschen vergessen. Unser Auto wird aktiv gepflegt, indem wir in die Waschstraße fahren. Wir warten auch nicht auf den Regen und sagen, der macht das Auto sauber. Genauso muss die Wirbelsäule aktiv gepflegt werden - mit viel Bewegung, Treppenlaufen, Bauchmuskeltraining - ganz einfache Sachen, die dem unspezifischen Rückenschmerz extrem vorbeugen.
Vorbeugen ist die eine Sache. Aber wie sieht es dann mit Therapien aus?
Josten: Wenn man eine intensive Diagnostik durchgeführt hat, dann muss man die ganze Palette der konservativen Behandlung ausschöpfen. Und das ist nicht nur Spritzen geben. Das kann durchaus auch Akupunktur sein, das können osteopathische Maßnahmen sein, das können chiropraktische Maßnahmen sein. Und der unspezifische Rückenschmerz bedarf einer aktiven Unterstützung des Patienten. Unsere Patienten heutzutage lieben das Passive. Ich lasse mich massieren, ich lasse mich operieren. Häufig gilt die Devise: Die Medizin wird's schon richten. Aber der Patient ist beim unspezifischen Rückenschmerz sehr gefordert.