Negative Gefühle bei Anderen oft unterschätzt

Weinheim (dpa/tmn) - Menschen haben oft den Eindruck, andere seien glücklicher oder sorgenfreier als sie selbst. Wie Studien an der Stanford University in Kalifornien/USA zeigen, beruht dies aber auf einer verzerrten Wahrnehmung.

Menschen unterschätzten leicht, wie häufig und intensiv andere mit negativen Gefühlen zu kämpfen haben. Ein Faktor für dieses Phänomen der „emotionalen Ignoranz“ sei, dass man andere Menschen oft in Gesellschaft erlebe. Dort neigten sie aber dazu, ihre Sorgen zu vergessen oder sie zu unterdrücken. Denn es gilt als unangemessen, seine Ängste offen zu zeigen. Über die Studie berichtet die Zeitschrift „Psychologie heute“.

In einem Experiment sollten 350 Studierende schätzen, welche von vier negativen Emotionen (sich depressiv/einsam/traurig/überfordert fühlen) ihre Kommilitonen in einem Monat erleben und welche dieser Gefühle sie selbst hatten. Das Ergebnis: Alle Studenten unterschätzten die Verbreitung dieser Gefühle bei ihren Studienkollegen. So glaubten sie beispielsweise, dass 52 Prozent depressiv waren. Für sich selbst erklärten das 78 Prozent der Probanden. Obwohl sie selbst also in hohem Maße betroffen waren, gingen sie davon aus, dass es den anderen besser erging.

Die Forscher sehen die falsche Wahrnehmung fremder Gefühle auch als Erklärung dafür an, warum Menschen an Filmen, Literatur oder den Pleiten von Prominenten interessiert sind: In der Fiktion gelinge es im Gegensatz zur Realität zu erkennen, dass im Leben schreckliche Dinge passieren können und negative Gefühle normal sind. Dies tröste und helfe, das eigene Leid einzuordnen, berichtet die Zeitschrift.

Literatur:

Alexander H. Jordan u.a.: Misery has more company than people think: Underestimating the prevalence of others' negative emotions. In: Personality and Social Psychology Bulletin, 37/1, 2011, S. 120-135. Eine Kurzfassung der Studie kann im Internet abgerufen werden.