Organspende-Empfänger erfährt Wartelistenplatz nicht

Frankfurt/Main (dpa/tmn) - Wer eine Organspende braucht, erfährt nicht konkret, auf welchem Platz der Warteliste er für die Transplantation steht. Über die Vergabe von Spenderorganen wird laut Gesetz nach Erfolgsaussicht und Dringlichkeit entschieden.

Wenn ein Patient so schwer krank sei, dass er ohne Transplantation innerhalb weniger Tage sterben würde, rutsche er auf der Warteliste nach oben, sagt Prof. Günter Kirste, Medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation.

Zuständig für die Zuteilung von Spenderorganen in mehreren europäischen Ländern, darunter Deutschland, ist die Stiftung Eurotransplant in den Niederlanden. Sie führt eine zentrale Datenbank, an die die deutschen Transplantationszentren alle wichtigen Daten ihrer Patienten weitergeben. „Für jedes Spenderorgan, das an Eurotransplant gemeldet wird, wird die Rangfolge der Patienten neu berechnet“, erklärte Axel Rahmel, Medizinischer Direktor der Stiftung, schriftlich auf dpa-Themendienst-Anfrage.

Dabei werde berücksichtigt, wie gut das Organ nach Größe, Gewicht, Blutgruppe und gegebenenfalls Gewebeeigenschaften zu jedem einzelnen Empfänger passe. Zudem werde die aktuelle Dringlichkeit und Erfolgsaussicht der Transplantation berücksichtigt. „Ein Patient, der für ein bestimmtes Spenderorgan an erster Stelle stand, kann für das nächste an einer deutliche niedrigeren Position stehen und umgekehrt“, sagte Rahmel. Verschlechtere sich der Gesundheitszustand und werde dies an Eurotransplant gemeldet, könne sich die Position beim nächsten Spenderorgan aufgrund der höheren Dringlichkeit nach oben verschieben.

Daher kann ein Arzt seinem Patienten nicht sagen, an welcher Stelle der Warteliste er steht. Denn er wisse nicht, ob an einem Nachbarzentrum zufällig ein Patient mit dringenderem Transplantationsbedarf gemeldet werde, erklärt Kirste. Dann würde der eigene Patient zurückgestuft. Laut Rahmel ist daher auch die Wartezeit auf ein Spenderorgan nicht vorhersagbar. Es sei daher wichtig, dass der Patient „in engem Kontakt mit dem Transplantationszentrum“ bleibt, damit dieses über seinen Gesundheitszustand richtig informiert ist. „Auch sollte der Patient immer erreichbar sein, damit für den Fall, dass ein für ihn besonders geeignetes Spenderorgan zur Verfügung steht, die Transplantation auch erfolgen kann“, rät Rahmel.

Die Stiftung führt für die Mitgliedsstaaten ein gemeinsames Meldesystem und eine zentrale Warteliste. Auf dieser Liste stehen nach Angaben auf der Internetseite von Eurotransplant derzeit etwa 16 000 Patienten. Pro Jahr werden etwa 7000 Organe vermittelt. In den Ländern gibt es 72 Transplantationszentren. Ein verfügbares Spenderorgan wird dem Zentrum angeboten, dessen Patient am höchsten gelistet ist. Zur Sicherheit bekommt auch das Transplantationszentrum des Zweitplatzierten ein unverbindliches Angebot.

Ein Göttinger Universitätsarzt soll im großen Stil Krankendaten gefälscht haben, damit die eigenen Patienten beim Empfang einer Spenderleber bevorzugt werden. Es besteht der Verdacht, dass er in mindestens 25 Fällen falsche Angaben gemacht hat. Die Bundesärztekammer habe eine Task Force eingerichtet, um die Affäre aufzuklären, sagte der Strafrechtler Hans Lilie von der Universität Halle. Darüber hatte zuvor die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet. Demnach könnte sich die Vorwürfe zum größten Betrugsfall in der Geschichte der deutschen Transplantationsmedizin ausweiten. Einem Krankenhaussprecher zufolge bestritt der ehemalige Oberarzt gegenüber der Klinikleitung alle Vorwürfe.