Psychische Probleme: Ausgebrannt und hilfesuchend
Experten werden der Nachfrage von Patienten nicht Herr. Vorbeugende Ansätze gefragt.
Düsseldorf. „Die Wartezeiten sind gruselig.“ Andreas Soljan, der in Düsseldorf mit mehreren Kollegen eine Psychotherapiepraxis betreibt, kennt das Problem nur zu gut, dass gesetzlich Krankenversicherte auf einen Therapieplatz für die Behandlung ihrer psychischen Krankheit warten müssen. „3000 bis 3500 Menschen melden sich jedes Jahr in unserer Praxis, aber wir können nun mal nur 700 behandeln. Mehr geht nicht.“ In kleineren Praxen sei es proportional dasselbe Problem. Ein Psychotherapeut könne nun mal nur wesentlich weniger Patienten behandeln als etwa ein Orthopäde. Während dieser in manchen Fällen mit zehn Minuten pro Patient auskomme, müsse ein Psychotherapeut mindestens zehn mal eine Stunde Kontakt mit dem Patienten haben.
Die Ursache für die immer mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückenden psychischen Erkrankungen sind aus Soljans Sicht vielfältig. „Da ist die Verdichtung der Arbeit, aber auch das Abnehmen der sozialen Netze“. Die ungesunde Lebensweise trage auch viel bei: „Wenn die Menschen nur 1200 Schritte am Tag gehen, aber fünf Stunden vor dem Bildschirm sitzen“, sei eine Zunahme psychischer Erkrankungen nicht überraschend. Für ihn liegt einer der Lösungsansätze für das Problem darin, dass die Sache innerhalb der Betriebe erst einmal zum Thema gemacht werden müsse.
Material, mit dessen Hilfe sich Arbeitgeber — auch im eigenen wirtschaftlichen Interesse, um Fehltage zu vermeiden — wichtige Informationen beschaffen können, gibt es durchaus. So bietet etwa die Krankenkasse Barmer GEK eine umfangreiche Handlungsanleitung für Führungskräfte zum Thema „Psychische Erkrankung am Arbeitsplatz“ an. Hier werden auch die verschiedenen Krankheitsbilder — von Burnout bis Bordeline — dargestellt. Vor allem aber gibt es ganz konkrete Handlungsempfehlungen, wie etwa in Mitarbeitergesprächen die Situation erst einmal angesprochen und dann Hilfen eingeleitet werden könnten. Auch vorbeugende Ansätze für einen Führungsstil, der Burnout vermeiden hilft, werden angesprochen.
Das Problem, auf das auch Experte Soljan hinweist, ist allerdings: „Im persönlichen und beruflichen Umfeld offen über eine psychische Belastung zu sprechen, fällt vielen Patienten schwer.
Hat es ein Betroffener geschafft, tatsächlich einen Termin bei einem Psychotherapeuten zu bekommen, so wird dieser, wie es die Psychotherapeutenkammer NRW beschreibt, mit dem Patienten besprechen, was passiert ist. Warum er aus der psychischen Balance geraten ist. Mit ihm zusammen kann er genauer überlegen: Seit wann kann ich meine Aufgaben nicht rechtzeitig erledigen? Warum kann ich mich nicht konzentrieren? Warum kann ich einen Konflikt zwischen Kollegen nicht ansprechen? Oder liegen innere psychische Konflikte vor, die verhindern, das Gespräch mit Kollegen und Vorgesetzten anzugehen?
Psychische Krankheiten seien nach wie vor stigmatisiert. Psychisch kranke Arbeitnehmer könnten schnell zum Außenseiter und Sonderling werden. Deshalb sollte man, so warnen auch die Experten, vorher genau überlegen, ob und mit wem man im Betrieb über seine psychische Erkrankung spricht. Ist der Vorgesetzte vertrauenswürdig und kann man mit ihm ein persönliches Gespräch führen, das nicht aktenkundig wird? Ein solches Gespräch mit dem Vorgesetzten könne sehr hilfreich sein. Und ein Psychotherapeut könne den Arbeitnehmer darauf vorbereiten. Das Problem ist freilich: erst mal einen Termin zu bekommen.