Punkte für die Pizza? Zukunft der Brailleschrift

Leipzig (dpa) - Bekommen die Pizzapackung und der Fahrkartenautomat fühlbare Punkte? Der Weltkongress „Braille21“ der Welt-Blindenunion lotet in Leipzig die Zukunft der Blindenschrift aus.

Das Vorbild ist Japan: Dort gibt es auf Verpackungen und Fahrkartenautomaten auch Informationen in Brailleschrift. Die Zeichen aus erfühlbaren Punkten für Blinde sind in Deutschland selten zu sehen, etwa auf Medikamentenschachteln. „Wir wollen, dass die Brailleschrift in der Gesellschaft sichtbarer wird“, sagt Thomas Kahlisch, Leiter der Deutschen Zentralbücherei für Blinde. Die Bücherei ist Ausrichter des Weltkongresses „Braille21“, der sich bis zum Freitag auf dem Leipziger Uni-Campus mit der Zukunft der Blindenschrift beschäftigt.

Ob lesbare Verpackungshinweise, Blindenleitsysteme in Gebäuden oder besserer Zugang zu Informationsmedien: Es geht beim „Braille21“-Kongress vor allem um die Gleichstellung Sehender und Blinder. So könne ein Blinder heute nur schwer im Supermarkt einkaufen, sagte Kahlisch. „Ob ich meine Lieblingspizza mit Pilzen oder die ungeliebte Salami-Variante erwische, weiß ich erst, wenn ich sie zu Hause in den Ofen schiebe.“

Die Blindenverbände wünschen einen besseren und billigeren Zugang zu Literatur. „Jährlich werden nur 2000 neue Bücher in Brailleschrift umgesetzt, für Sehende erscheinen Hunderttausende“, sagte der Chef der Blinden-Bücherei. Eine neue Chance eröffnet die Digitalisierung: Elektronische Bücher (E-Books) können von der richtigen Software mit einer Braillezeile gelesen werden. „Auch hier wünschen wir uns bessere Zugangsbedingungen, da bestimmte Rechte-Manager die Übersetzung in Blindenschrift verhindern.“

So sei das weit verbreitete pdf-Format nicht in Braille konvertierbar. Ausgerechnet ein auf den ersten Blick rein optisches Gerät biete viele Erleichterungen für blinde Menschen: „iPhones und iPads sind mit Sprachausgabe versehen, es gibt anschließbare Braillezeilen“, sagte Kahlisch. „Surfen, Twittern und die Nutzung von Navigationssysteme, alles ist plötzlich viel einfacher.“

Wichtig sei, die älteren Menschen auch für die Neuen Medien zu begeistern. „Nicht jeder ist davon zu überzeugen, dass Hörbücher, E-Books und Smartphones ihn weiterbringen.“ Trotz Hörbuch-Booms und digitaler Medien sollte es eine Wahl geben, sagte Kahlisch, der selbst blind ist. „Wir wollen entscheiden können, ob wir ein Buch hören oder lesen, in elektronischer oder klassischer Form. Genau wie Sehende.“