Rituale und Komplizen - So bleiben Patienten der Therapie treu

Bonn (dpa/tmn) — Vielen Menschen fällt es schwer, Medikamenteneinnahmen und andere Verordnungen der Ärzte zu befolgen. Solche Probleme sollten Betroffene offen ansprechen. Je nach Fall gibt es fast immer Möglichkeiten, die helfen, bei der Therapie am Ball zu bleiben.

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Viele Menschen müssen regelmäßig Medikamente einnehmen. Besonders wenn sie eng gesteckte Zeitfenster einhalten sollen, gelingt ihnen das oft schlecht. Vergesslichkeit ist ein häufiger Grund: Etwa 30 Prozent der Patienten, die Verordnungen nicht einhalten, falle es schwer, immer rechtzeitig an die Einnahme zu denken, sagt Prof. Rainer Düsing vom Hypertoniezentrum Bonn. „Manche Medikamente wirken sehr lange. Wenn man sie mal einen Tag lang vergisst, ist das weniger dramatisch“, erklärt der Internist. Andere, sehr kurz wirksame Medikamente müssten streng nach Plan eingenommen werden. Therapieungenauigkeiten sollte daher niemand auf die leichte Schulter nehmen.

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Ein erster wichtiger Schritt ist, den Einnahmezeitpunkt des Medikaments im Rahmen der Vorgaben möglichst so zu wählen, dass er dem individuellen Tagesablauf am besten entspricht. Patricia Oppelt, Vorstandsvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendgynäkologie in Deutschland, rät etwa dazu, die Einnahme der Antibabypille mit einem festen Ritual wie dem Zähneputzen zu verbinden. Die Pille könne eine Frau zum Beispiel im Zahnputzbecher aufbewahren. „Viele Frauen stellen sich auch den Wecker an ihrem Handy oder laden sich Apps auf ihr Smartphone, die sie an die tägliche Pilleneinnahme erinnern.“

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Oft helfe es auch, das soziale Umfeld einzubinden, um der Therapie treuzubleiben, sagt Düsing. Er rät seinen Patienten daher häufig, Kinder, Lebens- oder Ehepartner oder auch den Mitbewohner mit zum Arztgespräch zu bringen und die wichtigen Punkte der Therapie gemeinsam durchzugehen. Doch nicht nur Vergesslichkeit ist ein großes Problem. „In vielen Fällen nehmen die Patienten ihre Medikamente auch bewusst nicht richtig ein, zum Beispiel, weil sie ihre Krankheit und die Chancen der Therapie nicht richtig verstehen“, erläutert er.

Besonders schwer fällt es Patienten laut Prof. Erika Baum, Medikamente regelmäßig einzunehmen, wenn sie keine Beschwerden haben. Viele Medikamente wie Blutverdünner, Cholesterinsenker oder Mittel gegen Bluthochdruck sollten jedoch vorsorglich angewendet werden, um bestimmte unerwünschte Ereignisse zu verhindern. Aufklärungsgespräche durch den Arzt, aber auch Schulungen können helfen, die eigene Erkrankung und die Wirkung der Therapie besser zu verstehen.

Wer regelmäßig an Schulungen teilnimmt, bleibt eher bei seiner Therapie, erläutert Düsing. Auch eine regelmäßige Überprüfung der Therapieergebnisse, zum Beispiel durch Kontrollen des Blutdrucks und weiterer Risikofaktoren, kann die Therapietreue erleichtern. „Wenn der Patient Verbesserungen sieht und nicht nur Tabletten einnimmt, kann ihn das motivieren“, ergänzt Baum, die Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin ist.

Angst vor Nebenwirkungen nach dem Lesen des Beipackzettels oder tatsächlich auftretende Nebenwirkungen sind laut Düsing weitere Gründe, der Therapie untreu zu werden. Daher sollten Patienten immer Aufklärung beim Arzt einfordern, wenn sie Fragen zur Erkrankung haben oder unsicher angesichts der Behandlung sind. „Bei den meisten Erkrankungen gibt es eine Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten, die ausprobiert werden können.“

Mehr noch als bei der Medikamenteneinnahme gibt es Baum zufolge aber Probleme, wenn es darum geht, den Lebensstil zu verändern. „Patienten scheitern oft, weil die Ziele viel zu hoch gesteckt sind“, erklärt die Allgemeinmedizinerin. Realistische Ziele seien wichtig - und auch, dass sich der Patient durch Selbstbelohnung Anreize schafft.

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