Rollen, federn, dehnen - Faszientraining ist im Trend

Bremen (dpa) - Das Bindegewebe hat es nicht leicht. Entweder wird es komplett ignoriert oder es fällt unangenehm auf - wenn sich unschöne Schwangerschaftstreifen oder Cellulite am Körper abzeichnen.

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Doch inzwischen ist ein wahrer Hype um die sogenannten Faszien entstanden.

Faszientraining soll nicht nur bei chronischen Schmerzen helfen, sondern den Körper auch straffer, geschmeidiger, leistungsfähiger machen. Klar, dass gesundheitsbewusste Hollywood-Stars wie Gwyneth Paltrow auf den speziellen Workout schwören - obwohl dessen Wirkung noch nicht wissenschaftlich belegt scheint.

Die Theorie: Als Faszien bezeichnen Wissenschaftler das faserige Bindegewebe im Körper. Es umschließt Knochen, Muskeln und Organe. Wie ein Spinnennetz ziehen sich die festen und elastischen Fasern durch den Körper. Sie stützen uns bei jeder Bewegung, leiten Informationen weiter und tragen zur Körperwahrnehmung bei. Doch sie können auch die Ursache für Schmerzen und andere Gesundheitsprobleme sein. „Faszien können verfilzen, dünn und spröde werden, wenn wir sie zu wenig belasten“, erläutert der Biologe Robert Schleip, der an der Universität Ulm eine Faszien-Forschungsgruppe leitet. Aber auch zu viel Sport kann schädlich sein. Faszientraining, das Belastung richtig dosiert, soll da Abhilfe schaffen.

Die Praxis: Die Bremer Pilatestrainerin und Heilpraktikerin Sandra Wegeng legt sich eine Faszienrolle unter den Oberschenkel und bewegt diese langsam auf und ab. Ganz entspannt sieht das aus, doch die Kursteilnehmer stöhnen. Mit der harten Schaumstoffrolle walken sie nach und nach Beine, Rücken, Arme durch. Die je nach Körperpartie angenehme bis schmerzhafte Massage soll Verhärtungen lösen. „Mit der Zeit wird es besser“, verspricht Wegeng. „Man merkt richtig, wie sich das Bindegewebe umbaut.“

Vor kurzem hat die 36-Jährige eine Faszien-Fortbildung gemacht. Neben der Rollmassage gehören dazu auch federnde Bewegungen, Dehnungen und Übungen zur Körperwahrnehmung. Damit liegt die Trainerin voll im Trend. Zahlreiche Fitnesscenter, Yoga- und Pilatesstudios und sogar Volkshochschulen bieten inzwischen Faszientraining an. „Das hat einen richtigen Hype erfahren“, sagt Gabriele Fröhlich von der Volkshochschule im baden-württembergischen Esslingen. Diese hat seit einem Jahr mehrere Faszienkurse und -workshops im Programm, die immer gut gebucht sind. Das Ziel: weniger Schmerzen, mehr Beweglichkeit und eine geringere Verletzungsgefahr beim Sport.

Der Effekt: Ihr Körper sei dank des Bindegewebstrainings länger und schlanker geworden, schwärmt die US-Schauspielerin Paltrow in ihrem Lifestyle-Blog. Doch Experten warnen vor zu viel Euphorie. „Die klinische Wirksamkeit des Faszientrainings ist noch nicht zuverlässig erforscht“, sagt Schleip. An der Uni Ulm laufen dazu gerade Studien, die aber noch andauern. „In letzter Zeit wird Faszientraining in Deutschland zu stark auf die Rollen reduziert“, findet der Forscher. Diese verkauften sich zurzeit millionenfach. „Das ist ein ganz netter Beginn, reicht alleine aber nicht.“

Für völlig übertrieben hält der Sportwissenschaftler Ingo Froböse den Hype um das Bindegewebe. „Wenn man seine Muskeln richtig trainiert, sind die Faszien immer mit dabei. Ein spezielles Faszientraining ist nicht notwendig - außer wenn ich ein Defizit habe.“ Rollen, dehnen und sanfte Gymnastik können ein richtiges Ausdauer- und Krafttraining nicht ersetzen. „Es ist eine Hilfe zur Selbsthilfe“, meint auch die Pilatestrainerin Wegeng. Man bekomme Übungen zur Hand, die man zu Hause zusätzlich machen kann. Und allen, die wenig Zeit für Sport finden, empfiehlt Schleip: Bevor man auf Joggen und Muskeltraining verzichtet, lieber den Faszienworkout ausfallen lassen.