Schicke Stütze: Kompressionsstrümpfe sind mehr als Seniorensocken

Bonn/Chemnitz (dpa/tmn) - Stützstrümpfe helfen nicht nur gegen Krampfadern - und sie richten sich längst nicht nur an Ältere. Auch auf langen Flugreisen und beim Sport können sie sinnvoll sein. Forscher sind dabei, sie für neue Anwendungsbereiche zu optimieren.

Fleischfarben und knalleng - das sind gemeinhin die Merkmale von Stützstrümpfen. Doch es gibt sie auch in bunt und schick: Nicht nur Profi-, sondern auch immer mehr Freizeitsportler sind mit farbenfrohen Beinkleidern zu sehen. Vor allem Läufer tragen Kompressionsstrümpfe - in der Hoffnung, nach der Belastung schneller zu regenerieren.

„Es scheint so zu sein, dass die Kompression die Erholungsphase beschleunigt“, sagt der Venenspezialist Prof. Eberhard Rabe von der Hautklinik der Universität Bonn. Subjektiv sei das auf alle Fälle so, ergänzt Isabel Riesner, Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Sportgerätetechnik an der Technischen Universität Chemnitz. „In der Literatur werden positive Effekte beschrieben“, sagt sie. Wissenschaftlich begründet sei das Phänomen bislang allerdings nicht.

Die Forscherin geht im Rahmen ihrer Dissertation derzeit der These nach, dass die Kompression die Schwingung der Muskeln beim Sport einschränkt und es dadurch zu weniger Mikroverletzungen in der Muskulatur kommt, die letztlich zu Muskelkater führen. Riesner will auch herausfinden, ob es sinnvoll ist, für eine Ausdauersportart wie Laufen anders gearbeitete Stützstrümpfe zu verwenden als für Sprungsportarten wie Volley- oder Handball.

Hauptsächlich kommen Kompressionsstrümpfe bei Krampfadern, Schwellungen oder Hautveränderungen durch Venenerkrankungen, Thrombose und Venenentzündung zum Einsatz. Die Strümpfe wirken grundsätzlich auf zwei Arten, wie Rabe erläutert. Zum einen üben sie Druck auf die Blutgefäße aus, damit die Beinvenen im Stehen mehr Blut in Richtung Herz pumpen. Pumpt der Körper nicht genug Blut nach oben, macht sich das meist durch Schwellungen und Hautveränderungen an den Beinen bemerkbar. „Durch die Kompression von außen bekommt das Venensystem einen kleineren Durchmesser, und das Blut fließt schneller ab“, sagt Rabe. Dadurch werden die Beschwerden verringert.

Zum anderen können die Strümpfe auch Druck auf das Unterhautfettgewebe ausüben. Auch dadurch lasse sich die Schwellungsneigung etwa bei Ödemen oder anderen Entzündungen senken, erklärt der Mediziner. „Die Flüssigkeitsabgabe und -aufnahme im Gewebe wird beschleunigt. Die Kompression wirkt entzündungshemmend.“ Auch im tiefen Venensystem, also den Gefäßen, die im Inneren des Beins liegen, fließe dadurch das Blut schneller ab. Damit lasse sich auch Blutgerinnseln (Thrombosen) vorbeugen.

Normale Strümpfe haben von oben nach unten die gleiche Maschenzahl. Bei Kompressionsstrümpfen verringern die Hersteller beim Stricken die Maschenzahl und -weite in Richtung Fuß. „Es gibt unterschiedliche Kompressionsklassen, je nachdem, wieviel Druck hineingestrickt wurde“, erklärt Rabe. „Manche Strümpfe sind daher dehnbarer als andere.“ Der höchste Druck liege im Knöchelbereich.

Gemessen wird der Druck in der Maßeinheit Millimeter Quecksilbersäule (mmHg). Klasse eins übt 20 mmHg aus, bei Klasse zwei sind es 30 mmHg und 40 mmHg bei Klasse drei. Welche Klasse infrage kommt, richte sich nach dem Bedarf des Patienten, sagt Rabe. „Wer zum Beispiel schon mal ein offenes Bein hatte, wird Klasse drei bekommen, wer abends zu geschwollenen Beinen neigt, Klasse zwei.“ Klasse eins werde in der Regel Schwangeren verordnet, weil diese oft mit Flüssigkeitsansammlungen in den Beinen zu kämpfen haben.

Unterhalb von Klasse eins lägen in der Regel Thrombosestrümpfe, die Flugreisenden empfohlen werden. Solche Kompressionsstrümpfe sollen auf langen Strecken Blutgerinnsel (Thrombosen) in den Beinvenen vermeiden helfen. „Das Risiko, auf einem Flug eine Thrombose zu bekommen, ist für Gesunde sehr klein“, beruhigt Venenspezialist Rabe aber. „Der Grund, warum manche gesunde Reisende unterwegs dennoch die Strümpfe tragen, ist ein anderer: Sie verhindern geschwollene Füße“, sagt er. „Denn Flüssigkeit staut sich auch bei Gesunden in den Beinen, wenn sie sich lange nicht bewegen.“

Ob ein Kompressionsstrumpf nun vom Arzt verschrieben oder freiwillig beim Sport oder in der Luft getragen wird: Er muss gut sitzen. Eine Studie an der Ruhr-Universität Bochum ergab vor einigen Jahren, dass jede dritte medizinisch verordnete Socke rutscht oder einschnürt. Die Forscher raten Patienten daher, sich das Produkt nur von speziell geschultem Fachpersonal anpassen zu lassen.