Schummel-Seezungen und viele Hygienemängel

Berlin (dpa) - Der EHEC-Ausbruch machte es 2011 schmerzlich klar: Hygienemängel bei Lebensmitteln können schlimme Folgen haben. Jetzt wurden aktuelle Zahlen der bundesweiten Lebensmittelkontrollen präsentiert.

Schmeckt die Seezunge so gar nicht nach Seezunge? Dann vielleicht deshalb, weil sie gar keine Seezunge ist, sondern ein billigerer Ersatzfisch. Der aktuelle Jahresbericht des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) liefert neue Daten zu Verbrauchertäuschung und Lebensmittelsicherheit. Und die geben keinen Anlass zu Euphorie: Nach wie vor wurde jeder vierte kontrollierte Betrieb beanstandet - zumeist wegen mangelnder Betriebshygiene. Kritiker wie die Organisation Foodwatch fordern deshalb, Ergebnisse solcher Kontrollen bundesweit verpflichtend zu veröffentlichen. Fakten aus dem Bericht:

- Weit über 900 000 Besuche statteten die Kontrolleure bundesweit rund 550 000 Betrieben ab: Ein Viertel dieser Betriebe (146 000) wurde beanstandet. Von den gut 400 000 Proben, die die Kontrolleure dabei einsammelten, waren gut 13 Prozent (52 000) nicht okay, vor allem Spezialnahrung, etwa für Sportler oder zum Abnehmen. Gut schnitten dagegen Obst- und Gemüse-Proben ab.

- In der überwiegenden Mehrheit seien Lebensmittel in Deutschland sicher, resümierte das BVL. Aber es gibt auch mögliche Gesundheitsgefahren. Im Frühjahr 2011 waren nach einem Ausbruch mit EHEC-Darmkeimen mehrere tausend Menschen erkrankt. Ursache: Sprossen aus verunreinigtem Bockshornkleesamen. „Sprossen und Keime sollten weiterhin verstärkt kontrolliert werden“, sagte BVL-Präsident Helmut Tschiersky-Schöneburg. Eine neue Sonderuntersuchung von Keimlingen und Sprossen hatte nun jedoch kaum Auffälligkeiten gezeigt.

- Nicht gesundheitsgefährdend, aber für Verbraucher ärgerlich ist es, wenn im Restaurant geschwindelt wird: So zeigte eine Sonder-Testreihe in der Gastronomie, dass in einem Drittel der 210 servierten „Seezungengerichte“ nicht die Spur einer Seezunge nachzuweisen war. Bei den noch teureren Seezungenfilets war sogar die Hälfte ein - vermutlich billigeres - Fake. „Aus vorherigen Untersuchungen in Hamburg wissen wir, dass es bei den Jakobsmuscheln genauso ist. Meist sind das billigere Kammmuscheln“, sagte Volker Kregel vom Hamburger Landesamt für Verbraucherschutz.

- Auch den Internethandel nahmen sich die Kontrolleure stichprobenartig vor und suchten nach 71 gesundheitlich bedenklichen Stoffen. In 562 Online-Shops wurden sie fündig. Ergebnis: Lieber Hände weg von Nahrungsergänzungsmitteln zu Potenzsteigerung, Anti-Aging und Co. „Oft wird das Blaue vom Himmel versprochen, tatsächlich enthalten viele Mittel gesundheitsschädliche Substanzen“, sagte Georg Schreiber vom BVL. 40 Prozent der reinen Online-Händler entziehen sich darüber hinaus sowieso jeglicher Kontrolle, weil sie gar nicht registriert sind.

- Deutlich häufiger als im Vorjahr wurden Kontaktmaterialien für Lebensmittel kritisiert: Hier sind es etwa billiges Plastikgeschirr oder Kochlöffel, aus denen Weichmacher austreten, aber auch Recycling-Papier zum Einpacken. Dies werde aus Zeitungen gewonnen, deren Mineralölanteil dann auf die Lebensmittel übergehe. „Recyclingpapier als Verpackung funktioniert zurzeit nur mit einer undurchlässigen Zwischenschicht“, betonte Schreiber.