Studie zeigt: Kinder schlucken unnötig oft Antibiotika

Gütersloh (dpa) - Viele deutsche Kinder müssen offensichtlich unnötig Antibiotika schlucken, weil es in der Nähe keinen Kinderarzt gibt. Diesen Schluss legt eine Studie der Bertelsmann Stiftung nahe, die am Mittwoch in Gütersloh veröffentlicht wurde.

Ob ein Antibiotikum an kleine Patienten verschrieben wird, ist demnach auch vom Wohnort abhängig: Kinder im Nordosten erhielten doppelt so häufig Antibiotika wie Kinder in Süddeutschland. „Die Erklärung scheint zu sein, dass Antibiotika häufiger Kindern verordnet werden, wo weniger Kinderärzte niedergelassen sind“, sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Deutschlands, Wolfram Hartmann, in Köln der Nachrichtenagentur dpa.

Hartmann sieht von der Studie bestätigt, dass Kinder weniger Antibiotika bekommen, wenn Kinder- und Jugendärzte für die Behandlung zuständig sind. „Sie wissen zum Beispiel, dass bei einer nicht eitrigen Mittelohrentzündung Antibiotika nur in Ausnahmefällen angezeigt sind“, sagte Hartmann. „Zudem kennen sie ihre jungen Patienten oft von Geburt an und können Beschwerden besser einschätzen als andere Fachgruppen, zu denen die Kinder und Jugendlichen nur in Ausnahmefällen gehen, und die sie dann aufgrund des hohen Drucks, viele Patienten in kurzer Zeit zu behandeln, schnell mit einem Antibiotikum versorgen.“ Bei Mittelohrentzündung seien ein entzündungshemmendes Schmerzmittel und bewährte Hausmittel besser.

„Bei nicht eitrigen Mittelohrentzündungen, bei denen Antibiotika laut Leitlinien nur in Ausnahmefällen angezeigt sind, verordneten 33 Prozent der Hausärzte Antibiotika, aber nur 17 Prozent der Kinderärzte und 9 Prozent der HNO-Ärzte“, erläuterte Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte bei der Bertelsmann Stiftung. „Bei Lungenentzündung, wo die Verordnung von Antibiotika angezeigt ist, waren es 80 Prozent der Kinderärzte, aber nur 66 Prozent der Hausärzte.“

Der Bertelsmann-Studie zufolge verordnen deutsche Ärzte Antibiotika deutlich häufiger Kindern als Erwachsenen. Bundesweit werde jedem zweiten Kind zwischen drei und sechs Jahren mindestens ein Antibiotikum pro Jahr verschrieben - deutlich mehr als Erwachsenen. Grundlage der repräsentativen Studie bildeten die Patientendaten einer großen Krankenversicherung.