Therapeuten: Psychische Störungen komplexer
Frankfurt/Main (dpa) - ADHS, Depression, Trauma: Die Probleme bei psychisch belasteten Kindern und Jugendlichen werden immer komplexer. Das berichteten Vertreter des Berufsverbands der Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten (bkj).
Viele Patienten kämen mit der Vordiagnose ADHS, teilen die Experten mit. In den meisten Fällen treffe dies aber nicht zu. Überhaupt könne man eng gefasste Diagnosen - etwa eine Bindungsstörung, ein Trauma oder eine Depression - immer seltener stellen. Immer häufiger haben es die Therapeuten hingegen mit komplexen Störungen zu tun.
Diese seien schwerer zu behandeln, weniger erforscht und die Perspektive sei schlechter, sagt Prof. Silke Gahleitner aus Berlin. „Wir arbeiten da in ein ganzes System von Schwierigkeiten hinein“. Oft sei keine Heilung, nur noch eine „Stabilisierung“ möglich. Einen Grund sehen die Therapeuten im Leistungsdruck: „Die Anforderungen an Kinder und Jugendliche sind enorm gestiegen.“ Dazu käme „Wohlstandsverwahrlosung“ und eine wachsende Zahl armer Kinder.
Die Psychotherapeuten klagen über eine „krasse Unterversorgung“ behandlungsbedürftiger Kinder. Auf dem Land müssten Patienten bis zu zwei Jahre, in der Stadt durchschnittlich sechs Monate auf einen Therapieplatz warten, sagte die Bundesvorsitzende Marion Schwarz. Ursache ist aus Sicht der Vereinigung, die 460 Therapeuten vertritt, eine „völlig veraltete“ Bedarfsplanung, die die Zulassung beschränke. In den Städten gebe es 38,8 Psychotherapeuten pro 100 000 Einwohner, auf dem Land 4,3.
„Fachlich begründen lässt sich das nicht: Auf dem Land sind die Kinder nicht weniger krank als in der Stadt“, sagte Gahleitner. Die langen Wartezeiten führten dazu, dass sich die Probleme verfestigten und häufiger eine stationäre Behandlung nötig werde.